Politik

Blutige Anschläge in Frankreich Serienmörder trug Kamera

DAB0933-20120320.jpg1661890796268099729.jpg

In Frankreich wächst die Angst. Nach dem dritten Anschlag in nur einer Woche verschärft die Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen. Noch tappen die Sicherheitskräfte im Dunkeln. Ermittler vermuten allerdings, dass es sich bei dem Mörder um einen rassistischen Militär handeln könnte. Offenbar trug der Täter bei seinen Morden eine Kamera am Hals.

Mitglieder der jüdischen Gemeinde gedenken der Opfer bei einem Schweigemarsch in Paris.

Mitglieder der jüdischen Gemeinde gedenken der Opfer bei einem Schweigemarsch in Paris.

(Foto: dpa)

Nach einer Mordserie an und steht Frankreich  unter Schock und rätselt über die Hintergründe. Über die Motive und die Identität des unbekannten Serientäters bestehe noch immer Unklarheit, sagte Innenminister Claude Guéant. "Wir wissen bis heute nicht, wer er ist; soweit sind wir noch nicht", so der Minister. Der Täter habe eine "kleine Kamera" am Hals getragen, berichtete Guéant unter Berufung auf Augenzeugen.

Nach Angaben aus Ermittlerkreisen wird vor allem die These verfolgt, dass es sich bei dem Täter um einen rassistischen Militärangehörigen oder Ex-Militär handeln könnte. Die drei getöteten Fallschirmjäger waren nordafrikanischer Abstammung, ein weiterer, lebengefährlich verletzter Soldat ist Schwarzer. Doch auch ein durchgedrehter Einzeltäter oder die Tat einer Terrorgruppe wird den Angaben zufolge nicht gänzlich ausgeschlossen, wobei ein Anschlag einer ausländischen, islamistischen Gruppe wie Al-Kaida als unwahrscheinlich gilt.

Die für Terrorismus zuständige Staatsanwaltschaft in Paris erklärte, sie ermittle zum Verdacht des "Mordes und versuchten Mordes im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung" in allen drei Fällen. Dies sei aber vor allem wegen des Ausmaßes der Taten geschehen, hieß es in den Ermittlerkreisen.

Weitere Anschläge befürchtet

Innenminister Claude Guéant sagte, das Risiko weiterer Anschläge sei nicht auszuschließen. Das Gefühl des Täters, bei allen drei Anschlägen problemlos davongekommen zu sein, stärke sein Selbstvertrauen. Inzwischen patrouillieren Militärs und Polizisten an allen öffentlichen Plätzen, zudem wird die kommunale Polizei bewaffnet. Alle jüdischen und muslimischen Einrichtungen werden besonders gesichert. Wegen der Anschläge hatte Präsident Nicolas Sarkozy nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am Montagabend die höchste Terror-Alarmstufe für die Region verhängt.

Sarkozy verschärft die Sicherheitsvorkehrungen.

Sarkozy verschärft die Sicherheitsvorkehrungen.

(Foto: AP)

Sarkozy warnte vor dem Täter: "Jedes Mal, wenn dieser Mann in Aktion tritt, handelt er, um zu töten. Er lässt seinen Opfern keine Chance", betonte Sarkozy. Ein antisemitisches Motiv sei wahrscheinlich, der Mann sei gefährlich und müsse schnellstens gefasst werden. "Diese schreckliche Tat kann nicht ungesühnt bleiben. Alle, wirklich alle verfügbaren Mittel werden eingesetzt werden, um diesen Kriminellen daran zu hindern, weiter Schaden anzurichten."

In der Region wächst inzwischen die Angst vor weiteren Anschlägen. Der Bürgermeister von Toulouse, Pierre Cohen, verwies im TV-Nachrichtensender BFM auf die Kaltblütigkeit des Täters. "Wir sind extrem beunruhigt", sagte er.

Trauer um die Opfer

Bei einer Schweigeminute wurde heute in ganz Frankreich der Opfer geacht. Schon am Montagabend trauerte das unter Schock stehende Land um die vier Opfer von Toulouse. Mehr als 1000 Menschen kamen zu einer Feier in eine Pariser Synagoge. Unter den Teilnehmern waren Sarkozy, sein sozialistischer Herausforderer bei den Präsidentenwahlen, François Hollande, sowie mehrere Minister.

Wegen des Anschlags unterbrachen die Parteien vorübergehend den Präsidentschaftswahlkampf. Sarkozy reiste noch am Vormittag nach Toulouse. Auch Hollande sagte alle Parteitermine ab und informierte sich am Tatort. Sarkozy sprach von einer nationalen Tragödie.

Schüsse auf Religionslehrer und Kinder

Vor Beginn des Unterrichts hatte der Täter am Montagmorgen vor der Ozar-Hatorah-Schule auf einen 30-jähriger Religionslehrer und seine beiden Kinder im Alter von drei und sechs Jahren geschossen. Das dritte Opfer war zehn Jahre alt. Ein 17-Jähriger wurde schwer verletzt. Bei der Tat kurz vor Unterrichtsbeginn schoss der Unbekannte nach unbestätigten Berichten aus zwei Waffen um sich. Er eröffnete in dem Wohnviertel unvermittelt das Feuer auf eine Gruppe von Eltern und Schülern. Einige Kinder verfolgte er bis aufs Schulgelände.

Eine Frau und ihr Kind trauern um die Toten.

Eine Frau und ihr Kind trauern um die Toten.

(Foto: dpa)

Mit derselben waren schon am 11. und 15. März zwei Anschläge auf Soldaten in Toulouse und in Montauban verübt worden. Der Täter hatte auch denselben, als gestohlen gemeldeten PS-starken Motorroller für seine Flucht genutzt.

Die Tat gilt als einer der mörderischsten Anschläge auf eine jüdische Einrichtung seit drei Jahrzehnten - im August 1982 hatte ein Überfallkommando im jüdischen Viertel in Paris in der Rue des Rosiers in einem Restaurant sechs Menschen getötet und 22 verletzt.

Die Anschläge bringen das Thema Innere Sicherheit im laufenden Präsidentenwahlkampf nach oben auf die Tagesordnung. Sarkozy hatte zuletzt rechtspopulistische Töne angeschlagen und vor zu vielen Ausländern im Land gewarnt.

Entsetzen in aller Welt

Vertreter jüdischer Gemeinden und der jüdische Weltkongress äußerten sich schockiert. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte in Jerusalem, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um "gewaltsamen und mörderischen Antisemitismus" handele.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Außenminister Guido Westerwelle verurteilten den Anschlag. Barroso sprach von einem "abscheulichen Verbrechen". Regierungssprecher Steffen Seibert teilte mit, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Sarkozy ihr Mitgefühl nach dem Anschlag von Toulouse und den Soldatenmorden übermittelt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach den Familien der Opfer und der jüdische Gemeinschaft sein tiefes Beileid aus. Das Weiße Haus in Washington verurteilte "den schrecklichen Angriff" ebenfalls aufs Schärfste. Auch Papst Benedik XVI. zeigte sich "zutiefst betroffen" und verurteilte die Tat.

Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen