Politik

Tausende nehmen Abschied "Silvio! Silvio!" - Staatsakt für Berlusconi in Mailand

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
berluscioni.JPG

Er war eine der prägenden politischen Figuren in Italien in den vergangenen Jahrzehnten. In beispielloser Art gedenkt das Land seines verstorbenen Regierungschefs Berlusconi. Nicht alle finden das Ausmaß angemessen.

Italiens Spitzenpolitiker, Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Unterhaltung und Sport sowie viele Anhänger haben sich von Silvio Berlusconi verabschiedet. Für den früheren Ministerpräsidenten gab es ein Staatsbegräbnis vor rund 2000 Trauergästen im Dom von Mailand. Vor der Kathedrale verfolgten Tausende Anhänger auf vier Leinwänden den Gottesdienst. Als der Sarg des zu Wochenbeginn im Alter von 86 Jahren gestorbenen Politikers von sechs Trägern in die Kirche gebracht wurde, applaudierten die Menschen. Viele riesige Fahnen des AC Mailand, Berlusconis früherem Fußballclub, wurden geschwenkt. Hinter dem Sarg betraten die Kinder Berlusconis und seine Lebensgefährtin Marta Fascina die Kirche.

Der Erzbischof von Mailand, Mario Delpini, leitete die Trauerfeier. "Wenn ein Mensch ein Politiker ist, will er gewinnen. Er hat Unterstützer und Gegner. Manche vergöttern ihn, manche können ihn nicht ausstehen", sagte er in seiner Predigt. "Aber was können wir im Moment von Abschied und Gebet über Silvio Berlusconi sagen? Er war ein Mann mit einer Sehnsucht nach Leben, mit einer Sehnsucht nach Liebe, mit einer Sehnsucht nach Freude", fügte er hinzu.

Staatspräsident Sergio Mattarella, Regierungschefin Giorgia Meloni und ihre Minister gehörten ebenso zur Trauergesellschaft wie etwa Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Auch Emir Tamim bin Hamad Al Thani aus Katar und der irakische Präsident Abdul Latif Raschid waren gekommen. Die meisten EU-Staaten wurden von Botschaftern vertreten.

Manche Szenen erinnerten eher an eine Ereignis im Fußballstadion als eine Trauerfeier.

Manche Szenen erinnerten eher an eine Ereignis im Fußballstadion als eine Trauerfeier.

(Foto: picture alliance/dpa/LaPresse/AP)

"Was für eine Übertreibung"

Schon Stunden vor Beginn der Trauerfeier hatten sich Anhänger am Mailänder Dom eingefunden. Hinter den Absperrungen stimmten Männer, Frauen, Jugendliche und Rentner mit Berlusconi-Fahnen "Silvio! Silvio!"-Sprechchöre an. Immer wieder stimmte die Menge "C'è solo un presidente" (Es gibt nur einen Präsidenten) an. Die Szenen erinnerten teils eher an Fans im Fußballstadion als an Trauergäste bei einer Beerdigung.

Vor dem Staatsbegräbnis am Mittwoch hatte die Regierung für drei Tage ihre Arbeit weitgehend niedergelegt. Im Parlament wurden Sitzungen und Abstimmung gar für rund eine Woche abgesagt. "Was für eine Übertreibung, völlig deplatziert", sagte dazu die frühere Ministerin und EU-Kommissarin Emma Bonino in der Zeitung "La Repubblica". Kritiker erinnerten daran, dass selbst nach den brutalen Bombenattentaten der Mafia 1992 gegen die Juristen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino oder dem Mord an Ex-Ministerpräsident Aldo Moro durch Terroristen 1978 die Parlamente einberufen worden waren.

Meloni: "Am Ende haben seine Gegner verloren"

Mehr zum Thema

Dass die Regierung einen nationalen Trauertag samt Halbmastbeflaggung an öffentlichen Gebäuden ausrief, ist ein Novum nach dem Tod eines früheren Ministerpräsidenten. Üblicherweise geschieht dies nach schweren Katastrophen mit vielen Opfern - etwa verheerenden Erdbeben oder zuletzt der schlimmen Flut in der Emilia-Romagna. "Wir werden uns an keiner Heiligsprechung beteiligen", stellte Chiara Gribaudo, die stellvertretende Parteichefin der Sozialdemokraten, klar. Ministerpräsidentin Meloni schrieb in einem Gastbeitrag für den "Corriere della Sera", viele hätten versucht, Berlusconi "mit unlauteren Mitteln" zu besiegen. "Am Ende aber haben seine Gegner verloren", meinte sie.

Berlusconi stand von 1994 bis 2011 mit Unterbrechungen insgesamt vier Regierungen vor, kein anderer war in der italienischen Nachkriegszeit länger Ministerpräsident. Er war Immobilienmogul, Medientycoon und führte den AC Mailand an die europäische Fußball-Spitze. Unzählige Justizermittlungen - darunter wegen Steuerhinterziehung, Betrug, Verbindungen zur Mafia und Begünstigung von Prostitution Minderjähriger - überstand der Selfmade-Milliardär unbeschadet.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen