Politik

Die italienische One-Man-Show Am Ende war Berlusconi nicht Staatsmann, sondern trotzig

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Zuletzt sah Berlusconi sich in der Rolle des altehrwürdigen Staatsmanns, der Ministerpräsidentin Meloni die Türen zu den Mächtigen der Welt öffnen könnte.

Zuletzt sah Berlusconi sich in der Rolle des altehrwürdigen Staatsmanns, der Ministerpräsidentin Meloni die Türen zu den Mächtigen der Welt öffnen könnte.

(Foto: picture alliance / Live Media)

Wie kein anderer hat Silvio Berlusconi nicht nur die italienische Politik, sondern auch Alltag und gesellschaftlichen Wandel in Italien geprägt. Er war ein Spiegelbild Italiens, im Guten wie im Schlechten.

Als am Freitag die Nachricht kam, Silvio Berlusconi sei wieder in der Klinik, glaubten die wenigsten der offiziellen Version, es handele sich um vorgezogene Routineuntersuchungen. Der 86-Jährige war erst am 19. Mai nach fast zwei Monaten aus dem Krankenhaus entlassen worden. Heute Morgen kam dann die Nachricht: Berlusconi ist tot.

Zweifelsohne war der "Cavaliere", der Kavalier und Ritter, wie Berlusconi in Italien halb ironisch, halb respektvoll genannt wurde, die schillerndste politische Gestalt der italienischen Nachkriegszeit. Kein Politiker nahm die Menschen so wie er für sich ein und brachte andere gleichzeitig so sehr gegen sich auf. Die einen liebten ihn bedingungslos, die anderen hassten ihn genauso leidenschaftlich. Seine Anhänger verziehen ihm alles: Lügen, Interessenkonflikte, Steuerhinterziehung und auch die Bunga-Bunga-Affäre, bei der es um Sex-Partys und den Verdacht ging, dass den Gästen auch minderjährige Mädchen zugeführt worden waren. Viele sahen in Berlusconis Schwächen ihre eigenen widergespiegelt.

Für seine Gegner war er stattdessen Italiens Verdammnis, ein Blender ohne Respekt vor den Institutionen, der nur seine Interessen und Geschäfte im Blick hatte. Aus dieser Sicht waren er und seine Fernsehsender Ausdruck einer politischen und gesellschaftlichen Verrohung.

Die Politik wird zur Show

Den Weg in die Politik geebnet hatte Berlusconi der Korruptionsskandal "Tangentopoli" Anfang der 1990er Jahre. Infolge dieser Enthüllungen brach das Parteiensystem komplett zusammen, die Sozialisten und Christdemokraten wurden hinweggefegt. Berlusconi, damals nicht nur ein erfolgreicher Bauunternehmer, sondern mit drei privaten TV-Sendern, einer Tages- und einer Wochenzeitung längst ein nationaler Medientycoon, nutzte die Gunst der Stunde. Am 25. Januar 1994 wandte er sich über seine Fernsehsender mit folgender Videobotschaft an die Italiener: "Italien ist das Land, das ich liebe, hier liegen meine Wurzeln. Auf Italien setze ich meine Hoffnungen und meine Zukunft. Ich gehe in die Politik, weil ich nicht in einem illiberalen Land leben möchte."

Er stellte sich als Bollwerk gegen die Kommunisten dar und versprach, Italien politisch und wirtschaftlich auf einen liberalen Kurs zu bringen und es zu einem Land zu machen, in dem jeder seinen Traum verwirklichen konnte. Dem war dann nicht so. Trotzdem wählten ihn die Italiener zwischen 1994 und 2011 vier Mal zum Ministerpräsidenten.

Als Berlusconi 2011 sein Amt als Premier an Mario Monti weitergeben musste, hieß es in der Tageszeitung "Il Foglio", die dem Bruder von Berlusconi gehörte, natürlich sei der Amtswechsel nachvollziehbar, irgendwie aber auch schade, denn mit Berlusconi sei die Politik "unterhaltsam" gewesen. In der Tat hatte der Cavaliere den politischen Alltag in eine One-Man-Show verwandelt. Diesem Beispiel folgten nun andere, etwa der Komiker Beppe Grillo, Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung, oder der Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi, den Berlusconi gerne als Ziehsohn gehabt hätte.

Wer wird Berlusconis politischer Erbe?

Für Berlusconi begann stattdessen der langsame Abgang. 2013 wurde er zu vier Jahren Haft wegen Veruntreuung, Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung in seinem Medienimperium Mediaset verurteilt. Doch Aufgeben war für ihn keine Option, er träumte weiter von einem Comeback. 2019 war es dann so weit, die sechs Jahre seiner rechtskräftigen Verbannung aus der Politik waren verstrichen. 2020 wurde er ins EU-Parlament gewählt, im vergangenen Jahr folgte seine Rückkehr in den Senat.

Dass Berlusconi nicht mehr Regierungschef werden konnte, war ihm bewusst, dass ihn aber Ministerpräsidentin Giorgia Meloni immer wieder abblitzen ließ, verletzte ihn tief. Er sah sich in der Rolle des altehrwürdigen Staatsmanns, der ihr die Türen zu den Mächtigen der Welt öffnen könnte. Als sie ihm diese Rolle verweigerte, reagierte er trotzig und versuchte, ihr Steine in den Weg zu legen. Zum Beispiel, indem er den russischen Präsidenten Wladimir Putin öffentlich verteidigte und sich damit gegen Meloni stellte. Aber Folgen hatte das nicht: Seine Partei Forza Italia, die einst tonangebend war, ist nur noch die kleinste im italienischen Regierungsbündnis.

Rückblickend war es ein trauriger Abschied. Was aus seinem politischen Vermächtnis wird, ist schwer zu sagen. Bis zuletzt war er der Chef seiner Partei, einen Nachfolger hat er nicht aufgebaut. Gerüchten zufolge könnte seine Tochter Marina, 56 Jahre alt und Vorsitzende der Finanzholding Fininvest, in seine politischen Fußstapfen treten. Sie selbst hat sich dazu aber nicht geäußert.

Quelle: ntv.de

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