Politik

Bundesregierung beteuert zivile Nutzung Syrien erhielt bis 2011 deutsche Chemikalien

Wofür verwendete das Assad-Regime die Chemikalien aus Deutschland?

Wofür verwendete das Assad-Regime die Chemikalien aus Deutschland?

(Foto: REUTERS)

Deutschland hat viel länger Chemikalien an Syrien geliefert als bislang bekannt war - und das, obwohl das Assad-Regime sich weigerte, der Chemiewaffenkonvention beizutreten. Dienten Chemikalien aus Deutschland dem Bau syrischer Chemiewaffen?

Deutschland hat noch bis zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs Chemikalien in das Krisenland geliefert, die zur Herstellung von Giftgas genutzt werden können. Das Bundeswirtschaftsministerium räumte ein, dass die Menge der zwischen 1998 und April 2011 exportierten Substanzen mit 360 Tonnen fast drei Mal so groß ist wie bisher bekannt. Es gebe aber weiterhin keine Zweifel an der zivilen Verwendung der Chemikalien.

Das Ministerium hob hervor, in allen Fällen sei die geplante zivile Verwendung der Stoffe "plausibel" dargestellt worden. "Auch eine aktuell vorgenommene nochmalige Prüfung der angesprochenen Fälle ergab keine neuen Erkenntnisse, die an der Plausibilität der zivilen Nutzung der gelieferten Güter Zweifel aufkommen lassen."

Das Wirtschaftsministerium erklärte, die Substanzen seien für die Verwendung in der Schmuckindustrie, zur Fluorierung von Trinkwasser oder auch zur Herstellung von Zahnpasta exportiert worden.  Bei der Prüfung habe man sich nicht nur auf Zusicherungen der Empfänger verlassen, sondern auch eigene geheimdienstliche Erkenntnisse genutzt. Der Export von sogenannten Dual-Use-Gütern, die zivil und militärisch genutzt werden können, muss in Deutschland vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle genehmigt werden.

Die Grünen nannten die Lieferungen bis ins Jahr 2011 hinein "katastrophal", die Linke sprach von "politischem Wahnsinn". Die Exporte wurden genehmigt, obwohl Syrien zu den wenigen Staaten zählte, die der internationalen Konvention zur Ächtung von Chemiewaffen von 1997 nicht beigetreten waren.

Bei den Chemikalien, für die noch im ersten Halbjahr 2011 eine Ausfuhrgenehmigung vom Bundeswirtschaftsministerium erteilt wurde, handelt es sich unter anderem um 4000 Kilogramm Galvanomischung mit Natriumcyanid, das zur Herstellung von Chemiewaffen verwendet werden kann. Auch im Jahr 2010 gab es eine Reihe von Genehmigungen für solche Chemikalien für Syrien, darunter 20 Tonnen Fluorwasserstofflösung und 15 Tonnen Ammoniumhydrogendifluorid.

Für Chemiewaffen muss Sarin zunächst nicht hergestellt werden

Schon nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen Deutschland hatte die Bundesregierung bereits Mitte September betont, dass es keinerlei Hinweise auf eine militärische Nutzung der gelieferten Stoffe etwa zur Herstellung von Saringas gebe. Syrien hatte sich als eines von wenigen Länder bis vor kurzem geweigert, der internationalen Konvention zum Verbot von Chemiewaffen beizutreten.

Christoph Schalley, Chemieprofessor an der Freien Universität Berlin, sagte n-tv.de, dass für den Bau von Chemiewaffen Sarin nicht sofort hergestellt werden müsse. Sarin werde hingegen häufig als sogenannter "Binärkampfstoff" hergestellt. Dabei befänden sich dann in einem Geschoss zwei Behälter mit zwei verschiedenen Stoffen. Trifft das Geschoss in sein Ziel, zerplatzen die Behälter und Sarin entsteht.  "Auf diese Weise verringert derjenige, der es als Waffe nutzt, sein Eingenrisiko, mit einer sehr giftigen Substanz umgehen zu müssen", so Schalley.

Vor zwei Wochen hatte das Ministerium nach einer parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion mitgeteilt, dass in den Jahren 2002, 2003, 2005 und 2006 insgesamt 134 Tonnen Chemikalien aus Deutschland nach Syrien geliefert wurden, die auch zur Herstellung von Giftgas verwendet werden können. Jetzt liegt eine komplette Liste für die Jahre 1998 bis 2011 vor.

Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP

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