In Islamschule in Kandahar Taliban-Chef zeigt sich erstmals öffentlich
31.10.2021, 09:30 Uhr
Achundsada gilt als oberster Anführer der Taliban.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Taliban-Chef Achundsada ist kaum in der Öffentlichkeit zu sehen. Deshalb gibt es immer wieder Gerüchte, er sei tot. Doch nun gibt es einen Auftritt - in Kandahar.
Der geheimnisumwobene Chef der Taliban, Haibatullah Achundsada, ist nach Angaben von Vertretern der islamistischen Bewegung erstmals in der Öffentlichkeit aufgetreten. Wie die Taliban-Vertreter am Sonntag mitteilten, wandte sich Achundsada am Vortag im südafghanischen Kandahar an Unterstützer. Er besuchte demnach die Islamschule Darul Ulum Hakimah, um zu seinen "mutigen Soldaten und Schülern" zu sprechen.
Achundsada war 2016 zum Taliban-Chef erklärt worden, nachdem sein Vorgänger, Mullah Achtar Mansur, bei einem US-Drohnenangriff getötet worden war. Er gilt als zurückgezogen und zeigte sich bislang nie öffentlich, auch nicht nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August. Dies führte zu Spekulationen über seine Rolle in der neuen Taliban-Regierung und zu Gerüchten, er sei gar nicht mehr am Leben.
Achundsadas Auftritt am Samstag war von hohen Sicherheitsvorkehrungen begleitet - Fotos oder Videos wurden nicht öffentlich. Die Taliban veröffentlichten jedoch in ihren Onlinenetzwerken eine zehnminütige Audiobotschaft, deren Tonqualität allerdings sehr schlecht ist. Es geht darin nur um religiöse Themen, nicht um politische Inhalte. So werden Verse des Korans gelesen, und es wird dazu aufgerufen, für die "Taliban-Märtyrer", verletzte Kämpfer und den Erfolg der Verantwortlichen des Islamischen Emirats in diesem "großen Test"zu beten.
Achundsada trägt den Titel "Anführer der Gläubigen". Seit sein Vorgänger Mullah Mansur 2016 bei einem US-Drohnenangriff in Pakistan getötet wurde, trifft Achundsada die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban.
"Extrem öffentlichkeitsscheu"
Der als religiöser Hardliner geltende Achundsada gehört zur Gründergeneration der Bewegung. Inzwischen soll er etwa 60 Jahre alt sein. Dass er auch nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August nicht öffentlich aufgetreten war, befeuerte Spekulationen über seinen Tod. Erst Mitte Oktober hatte es Medienberichte gegeben, er sei bereits im vergangenen Jahr bei einem Angriff im benachbarten Pakistan getötet worden. Auch hatte es Meldungen gegeben, er sei nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Achundsada soll nach der Machtübernahme der Taliban von Pakistan in seine Heimatprovinz Kandahar zurückgekehrt sein, hieß es zuletzt. Der oberste Taliban-Führer gilt als extrem öffentlichkeitsscheu. Es gibt nur ein einziges Foto von ihm, das die Taliban selbst veröffentlichten. Dafür gibt es unter anderem Sicherheitsgründe, etwa um einen Angriff durch die USA zu vermeiden.
Ende August habe Achundsada in Kandahar ein Treffen des Taliban-Führungsrates geleitet, in dem alle politischen Diskussionen geführt werden. Der Führungsrat hatte unter Mullah Omar ursprünglich zehn Mitglieder. Heute soll er auf geschätzt 30 oder mehr Mitglieder angewachsen sein, deren Autorität auch religiös legitimiert ist. Die militant-islamistischen Taliban hatten nach Beginn des Abzugs der internationalen Nato-Truppen weite Teile Afghanistans erobert. Am 15. August zogen sie kampflos in die Hauptstadt Kabul ein und regieren seitdem. Armee und Polizei zerfielen, Vertreter der vorherigen Regierung flohen. Die Islamisten sehen sich mit zahlreichen Problemen konfrontiert, etwa für Sicherheit im Land zu sorgen. Afghanistan steht zudem vor einer humanitären Krise und laut UN vor einem möglichen wirtschaftlichen Kollaps.
Quelle: ntv.de, sba/dpa