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Populismus bleibt Populismus Auch Wagenknechts "Ami, go home!"-Partei ist gefährlich

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Sahra Wagenknecht und ihr Mann Oskar Lafontaine sowie Alice Schwarzer auf der Friedensdemo im Februar in Berlin.

Sahra Wagenknecht und ihr Mann Oskar Lafontaine sowie Alice Schwarzer auf der Friedensdemo im Februar in Berlin.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nicht nur Wagenknecht und ihre Mitstreiter hoffen, dass sie der AfD Wähler abspenstig machen können. Auch außerhalb ihres Bündnisses hoffen viele auf einen weniger staatsfeindlichen Populismus als den der AfD. Dabei birgt die Wagenknecht-Partei zerstörerisches Potenzial, wie ihre außenpolitischen Ideen zeigen.

"Und als es kaum noch Hoffnung auf eine Eingrenzung der AfD gab, kam die Wagenknecht-Partei und spannte den Rechtsextremen die vielen Wähler aus, die in Wahrheit nur frustriert und gar nicht rechts waren ..." So in etwa, hofft Sahra Wagenknecht, wird eines Tages die Rückschau auf die angekündigte Gründung einer nach ihr benannten Partei ausfallen. Weit außerhalb ihres Lagers wird ebenfalls diese Hoffnung gehegt, weil den anderen Parteien allmählich die Ideen zur Bekämpfung der AfD ausgehen und ihnen eine auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Wagenknecht-Partei im Zweifel allemal lieber ist als die AfD. Diese Hoffnung ist trügerisch. Nicht nur, weil die Erfolgsaussichten des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) im Wettbewerb mit der AfD allenfalls vage sind, sondern weil auch Populismus light vor allem eines ist: Populismus. Und der ist immer gefährlich für Demokratien.

Diese Gefahr lässt sich beispielhaft an der außenpolitischen Positionierung Wagenknechts sowie ihrer Mitstreiter im BSW festmachen. Bei der Vorstellung ihres Parteiprojekts beklagte sich Wagenknecht bitterlich über die ihr wiederholt unterstellte Kreml-Nähe. Tatsächlich kann man die 54-Jährige mit einiger Sicherheit von persönlichen Sympathien für Wladimir Putin freisprechen. Ihr Problem ist weniger eine bedingungslose Russlandliebe als ihre blinde Verachtung für die USA, die sie regelmäßig auf ein und dieselbe Stufe mit Russland und China stellt - und oft die USA als eigentliche Gefahr für den Weltfrieden zeichnet. So verbreitet sie, Washington habe Kiew im März 2022 einen Friedensschluss mit Moskau verboten. Ihre Anhänger sind ähnlich gepolt, zu sehen auch auf der von Wagenknecht mitorganisierten Friedensdemo Anfang des Jahres. Wagenknechts "Ami, go home!"-Bündnis besteht aus Frontleuten einer unbedingten Anti-NATO-Politik, die der pragmatischere Teil der Linkspartei in den letzten Jahren mühsam an den Rand gedrängt hatte.

Im Zweifel gegen die USA, gegen Israel

Wagenknecht fantasiert dagegen gerne von einer Welt, in der sich die Bundesrepublik an keinem bewaffneten Konflikt beteiligt und mit allen Ländern einen Ausgleich entlang der eigenen Interessen sucht. In dieser Frage passt kaum ein Blatt zwischen sie und die AfD. In ihrer in der DDR gelernten USA-Verachtung, die sie zu PDS- und Linke-Zeiten weiterkultiviert hat, ist Wagenknecht nicht willens einzusehen: Das globale Ringen zwischen liberalen Demokratien einerseits und imperialistischen Autokratien sowie dem von Golfstaaten finanzierten politischen Islamismus andererseits ist real. Nicht die USA zwingen der Welt diese Blockbildung auf, es sind die Machthaber in Peking, Moskau, Teheran und so weiter. Die Hamas kämpft nicht für ein freies Palästina, sondern für einen islamistischen Staat auf dem Boden Israels. Putin will die Ukraine nicht nur dem eigenen Riesenreich zuschlagen, er bekämpft auch die Idee eines freien Europas als ganzes. Doch Wagenknecht findet die Fehler vor allem in der US-Politik, ihr Umfeld zeigt im Nahost-Konflikt einseitig auf Israel.

Weil die EU nie ganz einig sein wird und auch eine militärische Aufrüstung auf US-Niveau weder wünschenswert noch realistisch ist, sind die europäischen Staaten im Zweifel auch auf Washington angewiesen. Das heißt nicht, den USA blind zu folgen. Das hat Deutschland weder bei George W. Bush und seiner Irak-Invasion getan, noch bei Donald Trumps Abrissbirnen-Politik gegen internationale Organisationen und Klimaschutz. Dennoch verbinden Deutschland immer wieder gemeinsame Interessen mit den USA, bei Weitem nicht nur in der Israel-Politik oder im Ringen mit Russland. Ohne die USA wären die Länder Europas gar nicht in der Lage, den Aggressionen Putins die Stirn zu bieten.

Mehr Anti-Amerikanismus, weniger Vertrauen in Demokratie

Mit dem Entstehen der Wagenknecht-Partei werden diese Wahrheiten absehbar weiter unterminiert, gekonnt verpackt in Social-Media-Nachrichtenhäppchen. Der Tatsache, dass die freien Demokratien existenziellen Bedrohungen ausgesetzt sind, droht ein Zangenangriff von der Rechtsaußen-Partei AfD und der - nach ihrer eigenen Verortung - linken Wagenknecht-Partei. Der Anti-Amerikanismus droht weiter zuzunehmen, das Vertrauen in die Demokratie zu sinken. In Wagenknechts Weltsicht herrschen überall gleichermaßen böse Eliten, die im Bund mit ausgewählten Mega-Konzernen (sie erwähnt stets die amerikanischen, nicht die chinesischen) die Völker knechten. Das ist schön einfach und leicht verdaulich, lässt aber keinen Raum für Differenzierungen.

Folgt man Wagenknecht, ist es tatsächlich egal, ob Deutschland mit den totalitären Regimen in China und Russland Geschäfte und sich von diesen abhängig macht oder mit den - bei allen Mängeln und Widersprüchen - demokratischen USA. Das ist brandgefährlich und auch für die fraglos intelligente Wagenknecht erstaunlich gedankenarm. In Äußerungen zu ihrem Parteiprojekt verweist Wagenknecht seit Neuestem wiederholt auf das Ideal der vermeintlich heilen Welt der alten Bundesrepublik. Dabei waren Stabilität, Heimeligkeit und Wohlstand der Bonner Republik ganz erheblich der damals tatsächlich noch Deutschland dominierenden Besatzungsmacht USA zu verdanken. Diesen Umstand erwähnt Wagenknecht freilich nicht. Es gehört zu den wundersamen Eigenschaften des Populismus, auch mit halben Wahrheiten ganzen Schaden anrichten zu können.

Quelle: ntv.de

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