Iran braucht noch zwei Wochen Die "Weihnachtsbombe"
11.12.2008, 21:05 UhrBis Weihnachten, in knapp zwei Wochen, könnte der Iran eine Atombombe haben. Das hatte der Chef der Wiener Atombehörde, El Baradei, prophezeit. Gleichwohl hatte er zuvor Irans Drohgebärden als Rhetorik abgetan. Ein amerikanischer Geheimdienstreport hatte behauptet, dass Iran schon 2003 sein Atomprogramm eingestellt habe. Gleichzeitig protzt Irans Präsident Ahmadinedschad immer wieder von Tausenden Zentrifugen für Uran-Anreicherung in Natanz.
Niemand weiß wirklich, wie weit der Iran mit dem Bau einer Bombe ist. Wer es vielleicht wirklich weiß, dürfte schweigen, um seine Informationsquellen zu schützen. Es gibt es auch jene, die standhaft behaupten, dass der Iran gar keine Atombombe anstrebe, sondern nur auf dem Recht bestehe, genauso wie andere Atommächte, selber Uran anreichern zu dürfen.
Ähnliche Verwirrung besteht rund um Irans Raketensystem. Teheran macht große Propaganda um seine Erfolge bei der Entwicklung von Trägeraketen mit einer Reichweite von 2000 Kilometern, die bis nach Tel Aviv reichen oder gar 3000 Kilometern, die sogar Berlin treffen könnten. Doch eine Analyse von Fotos von einem der Raketentests im Iran entblößte einen Flop. Mit dem Computerprogramm Photoshop war da kräftig nachgeholfen worden, um zu beweisen, dass wirklich alle auf Lastwagen montierte Raketen aufgestiegen waren. Die Iraner hatten die Rauchfahnen einfach vervielfältigt. Dann kamen Meldungen, wonach Iran Trägerraketen mit der Fähigkeit erprobe, den Munitionskopf in 600 Metern Höhe über dem Ziel explodieren zu lassen. Das ist eine Technik, die einzig für Atombomben benötigt wird. Denn wenn sie am Boden explodieren, richten sie vergleichsweise geringen Schaden an.
200 Atombomben im Keller
Diesem Wust an kaum nachprüfbaren oder von Propaganda motivierten "Informationen" steht eine echte oder vermeintliche israelische Drohkulisse gegenüber. Sprüche einzelner Politiker wie des Transportministers Schaul Mofaz oder Behauptungen namentlich nicht genannte "Experten", ehemaliger Geheimdienstleute oder allein die von Ministerpräsident Ehud Olmert offen ausgesprochene "Sorge" reichten aus, das Gefahrenpotential weg von Iran den Israelis zuzuschieben. Plötzlich bedroht nicht mehr Irans Streben nach der Atombombe die Sicherheit der Welt, sondern allein Israels Ankündigung, eine iranische Bombe nicht akzeptieren zu können, zumal die Welt, der Iran und die Araber fest davon überzeugt sind, dass Israel über 200 Atombomben im Keller versteckt halte.
Mangels genauer Informationen berufen sich israelische Experten auf die wenigen bekannten Fakten. So belehrt ein Diplomat beim Hintergrundgespräch, dass der Iran schon unter dem Schah mit amerikanischer (und vielleicht auch israelischer) Hilfe sein Atomprogramm begonnen habe. "Für Iran ist der Besitz einer Bombe Teil seines Selbstverständnisses als Hegemonialmacht in der Region", sagte der nichtgenannte Beamte. Israel sei nur der "kleine Satan" sagte ein Iran-Experte bei einem anderen nicht-zitierfähigen Gespräch. Eigentlich seien der Westen und die arabische Welt das wahre Ziel des Irans. Doch vermutlich hätte es längst Krieg gegeben, wenn der Iran das Nato-Land Türkei, den Ölproduzenten Saudi Arabien oder gar die im Irak stationieren US-Truppen ebenso lautstark bedroht hätte, wie Ahmadinedschad ungestraft sogar vor der UNO in New York von seinem Ziel reden kann, "das zionistische Regime in Jerusalem" auslöschen zu wollen. Die Aufschrift "Tel Aviv" auf Trägerraketen bei der Militärparade in Teheran kann als primitive Drohgebärde, oder aber als gefährliche Absichtserklärung aufgefasst werden. Ein französischer Militärattach verließ deshalb aus Protest die Ehrentribüne, sein deutscher Kollege blieb sitzen.
Es geht um die Existenz Israels
Die Verantwortlichen in Israel befinden sich in einer Zwickmühle. Obgleich an Vernichtungsrhetorik gewöhnt, vom "Juden ins Meer werfen" des früheren ägyptischen Präsidenten Gamal abdel Nasser bis hin zur "illegitimen Entstehung Israels" aus Sicht deutscher Linkspolitiker, haben die jüdischen Israelis ein Trauma. Fast alle Juden in Israel sind Überlebende von Vernichtungslagern, Todesmärschen durch die Wüsten des Sudan auf dem Weg von Äthiopien, Pogromen und Verfolgungen in der arabischen Welt. Sogar der Versuch des Präsidenten der UNO-Generalversammlung Miguel d'Escoto Brockmann, die Rede der israelischen Botschafterin Gabriela Shalev als Repräsentantin der Ländergruppe "Westeuropa und Andere" beim 60-Jahre-Festakt zur Verabschiedung der universalen Deklaration der Menschenrechte zu unterbinden, zählt zu den fragwürdigen Methoden, Israel und die Juden auszuschalten.
Der Terror der Selbstmordattentäter speziell gegen Juden in Israel und Buenos Aires, die Attacken auf Synagogen in Paris, Wien oder Istanbul und zuletzt auf das Chabad-Zentrum im Mumbai erinnern die Israelis täglich daran, dass anti-jüdische Rhetorik beim Wort genommen werden müsse. Wer dieses israelische Grundprinzip sieht, kann verstehen, warum die Israelis geradezu unberechenbar agieren, wenn sie glauben, dass ihr physisches Überleben, ihre pure Existenz, bedroht werden. Das war nicht nur 1981 so, als Ministerpräsident Menachem Begin den Befehl zu Bombardierung des Osirak-Atomreaktors im Irak gab. Man sieht es auf allen Flugplätzen der Welt bei den Sicherheitsmaßnahmen rund um Israel-Flüge. Doch als Staat muss Israel auch Reaktionen anderer Länder und weitere Interessen berücksichtigen. Deshalb setzte Israel auf die internationalen diplomatischen Bemühungen und Sanktionen gegen Iran.
Israel wird nicht zuschauen
Es wird immer wieder über einen israelischen Militärschlag gegen Iran spekuliert. Ob der praktisch machbar ist, obgleich 2000 Kilometer, die Türkei, Syrien, Jordanien und der von den Amerikanern kontrollierte Luftraum des Irak dazwischen liegen, dürften nur solche Experten wissen, die ihre Erkenntnis nicht mit Journalisten teilen. Die Amerikaner könnten mit den gleichen Kampfflugzeugen, bunkerbrechenden Bomben und anderen Mitteln einen Schlag gegen Iran viel besser vollbringen, weil sie vor Ort sind, im Irak und im persischen Golf.
Was passiert, wenn Iran Bombe und Trägerrakete besitzt und die Welt es nicht geschafft hat, Teheran an diesem Spiel mit dem Feuer zu hindern, bleibt reine Spekulation. Wer jedoch Israel kennt, darf damit rechnen, dass der jüdische Staat nicht tatenlos abwarten und ein "zweites Auschwitz" zulassen werde.
Der Nahe Osten ist sein Metier. Ulrich W. Sahm berichtet seit Mitte der 70er Jahre aus der Region – immer auf der Suche nach der Geschichte hinter der Nachricht.
Quelle: ntv.de