HessenSteile Straßen in Hessen bringen Winterdienst ins Schwitzen

Steile Straßen wie der Hasenpfad in Ranstadt stellen nicht nur den Streudienst, sondern auch Anwohner und Müllabfuhr im Herbst und Winter vor besondere Herausforderungen.
Ranstadt/Gelnhausen/Marburg (dpa/lhe) - Wer den Hasenpfad in Ranstadt-Dauernheim zu Fuß oder mit dem Auto erklimmt, kann gestählte Waden oder einen Allradantrieb gut gebrauchen. Mit ganzen 29 Prozent Steigung gilt das schmale Sträßchen als eines der steilsten Hessens - das kann besonders bei Reifglätte, Eis und Schnee im Herbst und Winter für Anwohner, Besucher, Post oder Lieferfahrzeuge zu einer echten Herausforderung werden. Kommunale Streufahrzeuge haben hier keine Chance und auch ein Streu- und Räumdienst zu Fuß ist an manchen Tagen kaum machbar. Hausbesitzer müssen dann selbst mit Hand anlegen.
Damit bei winterlicher Witterung nicht erst schwere Säcke den Hasenpfad hinauf transportiert oder gar geschleppt werden müssen, stehen ab Herbst auf etwa halber Höhe Behälter mit Auftausalz und Split am Straßenrand bereit. Ein bisschen alpines Feeling könne da schon aufkommen, sagt Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel. Ein Skilift oder eine Seilbahn am Hasenpfad wäre nicht schlecht - doch das lasse der Haushalt der Gemeinde leider nicht zu, sagt die SPD-Kommunalpolitikerin mit Augenzwinkern.
Wochenend-Wohngebiet mit Tücken
Einst entstand dieser Teil von Ranstadt-Dauernheim als Wochenendhaus-Siedlung, in der sich auch Leute aus Frankfurt und anderen Gegenden Hessens ein Domizil sicherten. Mittlerweile ist er zum normalen Wohngebiet geworden - allerdings eines mit gewissen Tücken: Ein Gehweg beispielsweise fehlt am schmalen Hasenpfad. Um ihre Abfälle in die Mülltonne zu werfen, müssen die Anwohner eine kleine Tal- und Bergwanderung unternehmen, denn die Fahrzeuge des zuständigen Entsorgers fahren hier nicht hinauf. Ihre Mülltonnen parken die Bewohner deshalb weiter unten am Hang, dort werden sie auch geleert.
Auch herabschießendes Regenwasser bei Unwettern bereitet der Gemeinde Kopfzerbrechen - die Kanäle füllen sich schnell, schließlich seien sie ja nur für ein Wochenendgebiet und nicht für so viele Einwohner ausgelegt gewesen. Heute würde man so nicht mehr bauen, sagt die Bürgermeisterin. Schulbusse sind am Hasenpfad ebenfalls Fehlanzeige, was gerade im Winter ein Thema ist, weil die Kinder den schmalen Pfad oft mehr oder weniger im Dunkeln hinunter und wieder hinauf müssen.
Schöne Aussicht dank Hanglage
Wer sich trotz der genannten Erschwernisse hier niederlässt, wird mit einem grandiosen Ausblick über die Nidda-Auen und den nahen Vogelsberg belohnt. An klaren Tagen sehe man sowohl den Frankfurter Fernsehturm als auch den Turm auf dem Hoherodskopf, sagt Reichert-Dietzel. Weiter unten im Ort finden sich viele schmucke Fachwerkhäuser - und auf der Straße sagen sich die Leute noch "Guten Tag", wie es auf der Homepage von Ranstadt heißt.
Dass sich Neubürger einst bei einem Ortstermin bei ihr beklagten, sie hätten ihr Haus "im Sommer" gekauft und seien auf die Mühen im Winter nicht eingestellt gewesen, kann die Bürgermeisterin nicht nachvollziehen. Man müsse sich bei der Anschaffung eines Hauses vorab schon einmal überlegen: "Wie sieht denn da denn im Winter aus? Der kommt halt jedes Jahr irgendwie um die Ecke", sagt Reichert-Dietzel.
Trainingsstrecke für den "Ironman"
Ohnehin gibt es auch Menschen, die es gerade wegen der großen Steigung zum Hasenpfad zieht - wie Triathlet Jan Künne, der an einem Nachmittag im November eigens mit seinem Rennrad eine Tour hier her unternommen hat, um ein wenig Bergstrecke zu trainieren. Es sei "mal 'ne Challenge, hier hoch zu fahren. Mal gucken, ist ja nicht ganz so ohne", sagt der 27-Jährige - doch dann bewältigt er die Strecke ohne große Mühe. Ist ja auch kein Wunder - Künne ist Starter hatte sich dieses Jahr als Amateur für die Teilnahme an der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii 2026 qualifiziert.
Bergauf - besser rückwärts
Steile Straßen gibt es auch andernorts in Hessen - in Gelnhausen im Main-Kinzig-Kreis beispielsweise oder in Marburg. Um den Franziskanerweg in Gelnhausen bei Glätte zu räumen, müsse der städtische Winterdienst rückwärts den Berg hochfahren, sagt Jakob Morkel, Leiter des Betriebshofs der Stadt Gelnhausen. Weil das Auftausalz an der Rückseite des Fahrzeugs verteilt werde, habe das Fahrzeug auf der frisch gestreuten Fläche so den besseren Griff, sagt Morkel.
Ganz selten komme es auch mal vor, dass die Mitarbeiter zu Fuß im Franziskanerweg tätig werden müssten. Um rechtzeitig zu wissen, wann gestreut werden muss, unternimmt der Betriebshof vor allem in den Höhenlagen Gelnhausens nächtliche Kontrollfahrten. Die mit gut 27 Prozent Steigung steilste Straße der Barbarossa-Stadt war auch schon zwei Mal Schauplatz des Rad-Sprints "Red Bull Hill Chasers" - zuletzt im September 2023.
Unfälle nicht ausgeschlossen
In Marburg gibt es nach Angaben einer Stadtsprecherin neben der Oberstadt auch in den Stadtteilen Ortenberg und Ockershausen sehr steile Straßen, die darüber hinaus auch oft eng und kurvig sind. Unimogs mit Schneeketten könnten dort in der Regel mit entsprechender Vorsicht den Winterdienst ausführen. Wenn allerdings die Straßenoberfläche entsprechend glatt sei, könne es trotz aller Vorsicht auch passieren, dass ein Räumfahrzeug mit Schneeketten wegrutsche und parkende Fahrzeuge touchiere.
In der frostfreien Zeit sei in den engen, gewundenen Straßen weniger die Steigung das Problem. "Parkende Autos, die ein Durchkommen erschweren oder verhindern sind da eher an der Tagesordnung und das, obwohl die Stadt Marburg für schmale Straßen schon über extra kleine Entsorgungsfahrzeuge verfügt."