Mehr als nur Aufholeffekte? Chinas Wirtschaftsplus überrascht - Bedenken bleiben
18.04.2023, 07:09 Uhr Artikel anhören
Die Einzelhandelserlöse stiegen kräftig.
(Foto: REUTERS)
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt startet unerwartet kräftig ins neue Jahr. Noch allerdings ist offen, inwieweit die Erholung nachhaltig oder nur dem Ende der Corona-Restriktionen geschuldet ist. Frühindikatoren deuten bereits eine sich wieder eintrübende Stimmung an. Made in China ist weltweit weniger gefragt.
Chinas Wirtschaft hat sich überraschend stark erholt: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wuchs im ersten Quartal um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - so schnell wie seit einem Jahr nicht mehr. Der Sprecher des Statistikamtes, Fu Linghui, sprach in Peking von einem "guten Start". Doch hob er das weiter "schwierige und wechselhafte internationale Umfeld" sowie die unzureichende heimische Nachfrage hervor: "Die Grundlagen für die Erholung sind noch nicht stabil."
"Im Großen und Ganzen sind die Zahlen aus China für das erste Quartal ganz ordentlich und passen zum Wachstumsziel von rund fünf Prozent in diesem Jahr", sagt Matt Simpson, Senior Market Analyst bei City Index. "Damit hebt sich die Stimmung in Asien ein wenig. Die etwas glanzlose Reaktion deutet darauf hin, dass es einige anhaltende Bedenken gibt, dass die Q1-Daten der erste Schub dank der Wiedereröffnung sind und dass die Dynamik in Q2 oder Q3 nachlassen könnte."
Wegen der Belastungen durch wiederkehrende Lockdowns, Zwangsquarantäne und Störungen der Lieferketten war Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr nur um drei Prozent gewachsen. Doch nach der Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen füllen sich die Einkaufszentren und Restaurants wieder. Der Alltag ist weitgehend zurückgekehrt. Die Wirtschaftsplaner hoffen jetzt vor allem darauf, dass die Verbraucher wieder mehr Geld ausgeben. Die Einzelhandelsumsätze stiegen im ersten Quartal um 5,8 Prozent, nachdem sie im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent zurückgegangen waren. Im März legten die Einzelhandelsumsätze stärker als erwartet um 10,6 Prozent zu.
Alles nur ein Strohfeuer?
Die Erholung ist allerdings auch aus Sicht der Zentralbank noch nicht ausreichend gesichert, sodass über mögliche Konjunkturmaßnahmen spekuliert wird. Es werde "ein angemessenes Kreditwachstum mit einem stabilen Tempo beibehalten", hatte es jüngst von der Notenbank geheißen. Auch sollen der private Konsum gefördert und ausreichend Liquidität gesichert werden.
Wichtige konjunkturelle Frühindikatoren versprühten auch keinen Optimismus. So verschlechterte sich die Stimmung in den Chefetagen des herstellenden Gewerbes im März. Der Einkaufsmanagerindex des Wirtschaftsmagazins "Caixin" fiel auf 50 Punkte. Ein Wert unter der 50-Zähler-Marke deutet auf Kontraktion der industriellen Tätigkeit hin. Auch der offizielle Index, der stärker große und staatliche Unternehmen betrachtet, fiel auf 51,9 Punkte. Die Industrieproduktion legte im ersten Quartal auch nur um drei Prozent zu. Im März lag der Anstieg mit 3,9 Prozent unter den Erwartungen.
Das Wirtschaftswachstum wurde möglicherweise auch durch den unerwartet starken Zuwachs der Exporte im März angekurbelt. Der Wert der chinesischen Ausfuhren schnellte um 14,1 Prozent in die Höhe. Es war der erste Zuwachs seit fünf Monaten. Der Anstieg wurde durch die Beseitigung der Lieferkettenprobleme nach der Covid-Welle und durch Nachholeffekte erklärt. Experten weisen allerdings auf die nach wie vor relativ schwache globale Nachfrage nach Produkten "Made in China" hin, die die Aussichten für Chinas Exportmaschinerie verdunkelt.
IWF erwartet langsameres Wachstum
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) traut der Volksrepublik in diesem Jahr wegen der Erholung von der Corona-Pandemie ein Wachstum von 5,3 Prozent zu, nachdem es 2022 lediglich zu einem Plus von drei Prozent gereicht hatte. Für 2024 werden 4,9 Prozent erwartet.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte derweil jüngst prognostiziert, dass sich der Aufschwung des Landes mittelfristig verlangsamen dürfte. Das Wachstum in China werde sich wahrscheinlich von Investitionsgütern auf den Konsum verlagern, hieß es in einem Blogbeitrag des IWF. Für dieses Jahr rechnen die Experten mit einem Wirtschaftswachstum von 5,2 Prozent. Im kommenden Jahr sollen es der Prognose zufolge dann nur noch 4,5 Prozent sein. Für ganz Asien wird ein Wachstum um 4,6 Prozent in diesem und 4,4 Prozent im kommenden Jahr vorausgesagt. Die Binnennachfrage in Asien sei trotz der strengen Geldpolitik bisher stark geblieben, während der "Appetit des Auslands" auf Technologieprodukte und andere Exporte nachlasse, hieß es weiter.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts