Fortgeschrittene Verhandlungen Grammer-Retter will selbst zugreifen
29.05.2018, 08:06 Uhr
Grammer produziert unter anderem Autositze.
(Foto: picture alliance / Armin Weigel/)
Vor gut eineinhalb Jahren holt der Autozulieferer Grammer einen chinesischen Investor als Weißen Ritter an Bord. So wird eine unliebsame Übernahme verhindert. Nun hat der Großaktionär selbst Interesse.
Der Autozulieferer Grammer steht womöglich kurz vor einer Übernahme durch den chinesischen Großaktionär Ningbo Jifeng. Das Unternehmen bestätigte in Amberg fortgeschrittene Verhandlungen mit verbundenen Unternehmen von Ningbo Jifeng, die zu einem freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebot an die Aktionäre der Grammer AG führen könnten. Der chinesische Konzern habe dabei einen Preis von 60 Euro plus der vorgeschlagenen Dividende von 1,25 Euro in Aussicht gestellt. Grammer würde damit mit knapp 772 Millionen Euro bewertet.
Die mögliche Barofferte von 60 Euro wäre also ein Aufschlag von knapp 17 Prozent zum Xetra-Schluss vom Vortag. An der Börse kommt die Nachricht gut an. Für die Grammer-Papiere geht es in einem negativen Marktumfeld mit bis zu 20 Prozent nach oben - auf mehr als 61 Euro.
Jifeng hält 25,5 Prozent an dem Unternehmen aus Amberg in der Oberpfalz und will nun laut Finanzkreisen auf mindestens 50 Prozent aufstocken. Die Chinesen böten den rund 13.000 Grammer-Mitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie über siebeneinhalb Jahre, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen zu Reuters. Eine Einigung auf einen Fusionsvertrag gebe es noch nicht, betonte ein Grammer-Sprecher. Das bayerische Unternehmen hatte die Chinesen Anfang 2017 im Kampf gegen eine mögliche Übernahme durch die umstrittene bosnische Investorenfamilie Hastor an Bord geholt. Diese hält derzeit etwas mehr als 9 Prozent.
Keine Hürde durch Berlin erwartet
Für die Familie Hastor biete das Angebot eine gute Möglichkeit zum Ausstieg, schrieb DZ-Bank-Analyst Michael Punzet. Prevent liegt mit mehreren deutschen Autobauern, allen voran Volkswagen, im Clinch. Grammer hatte berichtet, dass mehrere Hersteller nach dem Einstieg der Hastors mit Aufträgen gezögert hätten. Nach einer Übernahme durch Jifeng könne sich der Ordereingang wieder normalisieren, schrieb Analyst Punzet.
Den Einstieg von Jifeng bei Grammer hat die Bundesregierung bereits durchgewinkt, so dass die Chinesen auch bei einer Übernahme keine Hürden erwarten. Jifeng habe von Anfang an auf einen größeren Anteil spekuliert, sagte einer der Insider. Erst jetzt habe das von der Familie Wang beherrschte Unternehmen, das kleiner ist als Grammer, aber die Finanzierung der Übernahme gesichert. Inklusive Schulden müssten die Chinesen, mit denen Grammer schon vor dem Einstieg zusammengearbeitet hatte, mehr als eine Milliarde Euro finanzieren. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, für den Jifeng 75 Prozent der Anteile bräuchte, sei nicht geplant, sagten Insider.
Erst kürzlich hatte Grammer die größte Übernahme seiner Firmengeschichte in Angriff genommen: Das im Kleinwerteindex SDax notierte Unternehmen schluckt den Kunststoff-Spezialisten Toledo Molding & Die (TMD) aus dem US-Bundesstaat Ohio und zahlt dafür rund 271 Millionen Dollar einschließlich Schulden. TMD gehörte bisher dem US-Finanzinvestor Industrial Opportunity Partners (IOP). Der Zukauf soll über Kredite finanziert werden.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts