Fachkräfte fliehen Teilmobilisierung bremst Russlands Wirtschaft
11.10.2022, 16:42 Uhr
Die russische Führung will weitere Männer in den Krieg schicken.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Die Abwanderung Zehntausender Männer setzt die russische Wirtschaft unter Druck. Vor allem Gutausgebildete und Fachkräfte versuchen, das Land zu verlassen.
Die russische Wirtschaft hat der heimischen Zentralbank zufolge nach der Teilmobilisierung Ende September für den Krieg in der Ukraine deutlich an Schwung verloren. Konkrete Zahlen nannte die Bank nicht.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 21. September angekündigt, dass 300.000 Menschen mobilisiert würden. Daraufhin haben Schätzungen zufolge Hunderttausende Russen ihr Land verlassen, um dem Einsatz an der Front zu entgehen - darunter vor allem viele junge, gut ausgebildete Männer.
Die staatlichen Zahlungen an die Einberufenen dürften zumindest die negativen Folgen für die Konsumnachfrage abfedern, sagte der stellvertretende Notenbankchef Alexej Zabotkin. Eingezogen werden vor allem Männer der ethnischen Minderheiten und aus armen Bevölkerungsschichten. Da der Sold oft deutlich über den Löhnen dieser Eingezogenen liegt, verspricht sich die russische Regierung künftig Impulse für den privaten Konsum.
Angesichts der wegen des russischen Angriffskrieges vom Westen verhängten Sanktionen geht die Notenbank davon aus, dass die russische Wirtschaft in diesem Jahr stark schrumpfen wird. Das Minus werde wahrscheinlich im oberen Bereich einer Spanne von vier bis sechs Prozent liegen, hieß es.
Hohe Inflation
Die Konjunktur wird nach Prognose der Ratingagentur Scope erst am Ende des Jahrzehnts auf das vor dem Einmarsch in die Ukraine erreichte Niveau zurückkehren. Der Kreml habe zwar mit Hilfe der Zentralbank die unerwartet hohen Exporteinnahmen genutzt, um die unmittelbaren Folgen des Krieges und der westlichen Sanktionen auf die Binnenwirtschaft abzufedern, heißt es in der Reuters vorliegenden Studie. "Aber die längerfristigen Aussichten haben sich verschlechtert", schreibt Scope-Analyst Levon Kameryan. Bis Ende kommenden Jahres wird das Bruttoinlandsprodukt wegen der westlichen Sanktionen um etwa acht Prozent unter dem Stand von 2021 liegen. Die russische Wirtschaft werde daher voraussichtlich bis etwa 2030 brauchen, um wieder das Vorkriegsniveau erreichen.
Die Notenbank geht davon aus, dass die Schrumpfung der russischen Wirtschaft in der ersten Hälfte des nächsten Jahres ihren Tiefpunkt erreichen wird. Durch den Abschwung dürfte den Zentralbankern zufolge der starke Preisauftrieb allmählich nachlassen. "Wir werden uns reibungslos auf eine Stabilisierung der Inflation zubewegen", sagte Zabotkin zur Entwicklung der Preise. "Aber der Rückgang der Inflation könnte langsamer verlaufen. Die Teuerungsrate lag offiziellen Angaben zufolge zuletzt bei rund 13,5 Prozent. Die Zentralbank strebt einen Wert von vier Prozent an. Diesen wird sie nach eigenen Prognosen erst 2024 wieder erreichen.
Quelle: ntv.de, jga/rts