Neue Indikatoren Temperaturbereinigte Gas-Einsparungen gehen zurück
01.12.2022, 19:29 Uhr
Gasflammen erwärmen einen Topf: Mit täglich oder wöchentlich aktualisierten Daten informiert die Bundesnetzagentur über die Gasversorgungslage in Deutschland.
(Foto: picture alliance / Willfried Gredler-Oxenbauer / picturedesk.com)
Wie sicher ist die Gasversorgung in Deutschland? Dazu legt die Bundesnetzagentur täglich neue Zahlen vor. Die Indikatoren belegen geglückte Einsparungen und weisen auf Trends hin - lösen aber auch Irritationen aus.
Anhaltende Kälte lässt den Gasverbrauch in Deutschland wie erwartet ansteigen und den Füllstand deutscher Gasspeicher sinken. Insgesamt haben Industrie und Haushalte in der vergangenen Woche (47. Kalenderwoche) zwar erneut gut 21 Prozent weniger Gas verbraucht als im Schnitt der Vorjahre. In ihrem täglichen Lagebericht zur Gasversorgung bemängelt die Bundesnetzagentur dennoch, dass der temperaturbereinigte Gasverbrauch in der vergangenen Woche nur noch gut 24 Prozent unter dem Referenzwert der Vorjahre gelegen habe. Dadurch springt der erst kürzlich eingeführte Indikator zum temperaturbereinigten Gasverbrauch auf "angespannt".
Genau wie bei den anderen Verbrauchsdaten kann die Grafik immer donnerstags aktualisiert werden und bildet den Stand der Vorwoche ab.
Auch in den kommenden Tagen dürfte es deutschen Haushalten schwer fallen, sich beim Heizen einzuschränken. Die Bundesnetzagentur rechnet in dieser Woche nämlich mit Temperaturen, die um 0,73 Grad Celsius unter dem Durchschnitt der Vorjahre liegen. In der Vorwoche war es hingegen etwas wärmer als im Vorjahresschnitt gewesen (+0,5 °C).
Alles in allem wird nun deutlich mehr Gas aus- als eingespeichert. Die Füllstandsanzeige der Gasspeicher sinkt dementsprechend auf 98,24 Prozent - und bleibt damit vollständig im grünen Bereich. Die Versorgung sei derzeit gesichert, teilt die Bundesnetzagentur mit und betont zugleich "die Bedeutung eines sparsamen Gasverbrauchs".
Die für die Energieversorgung zuständige Bundesbehörde bleibt in Habachtstellung und beobachtet das Geschehen genau. Die wöchentlich oder sogar täglich veröffentlichten Daten zu den eingespeicherten, importierten und verbrauchten Gasmengen dienen als Frühwarnsystem, falls Deutschland auf eine Mangellage zuläuft. Bürgerinnen und Bürger können den Werten außerdem entnehmen, ob die kollektiven Einsparbemühungen Wirkung zeigen.
Seit Beginn der Heizsaison konnte diese Frage fast durchgängig mit "Ja" beantwortet werden. Sowohl die Industrie als auch Gewerbe und Haushalte haben im Mittel sichtbar weniger Gas verbraucht als in den Vorjahren. Weil der Verbrauch der Privathaushalte aber stark von den Außentemperaturen abhängt, hat die Bundesnetzagentur Ende November die zwei oben genannten Indikatoren eingeführt.
So gibt die Temperaturprognose jeden Montag einen Ausblick auf die bevorstehende Heizwoche. Sinken die Temperaturen im Wochenmittel laut Wettervorhersage des DWD leicht unter den Durchschnitt der Vorjahre (um 0 bis 2°C), stuft die Bundesnetzagentur diesen Indikator als "angespannt" ein, da mit einem höheren Gasverbrauch zu rechnen ist.
Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur kann 1 Grad Celsius Temperaturunterschied bereits einen Mehrverbrauch von etwa 1 Terrawattstunde pro Woche bedeuten. Bei Temperaturen, die mehr als 2 Grad Celsius unter dem Vorjahresmittel liegen, springt der Indikator auf "kritisch". Bei einem anhaltend strengen Winter müsste der hohe Gasbedarf unter Umständen mit zusätzlichen Importen oder Einsparungen ausgeglichen werden.
Doch nur weil es kälter wird, steigt der Gasverbrauch nicht zwangsläufig über das um diese Jahreszeit übliche Maß hinaus an. Ganz im Gegenteil: Die Daten belegen eindeutig, dass Unternehmen und Privathaushalte in diesem Jahr auch bei niedrigen Temperaturen stärker auf einen sparsamen Gasverbrauch achten als vor Beginn des Ukraine-Kriegs.
Als Referenz für den temperaturbereinigten Verbrauch dienen wiederum die Erfahrungswerte der Jahre 2018 bis 2021, allerdings unter dem Aspekt der Witterung: Welcher Verbrauch wäre bei den zuletzt gemessenen Tagestemperaturen zu erwarten gewesen? Wie hoch war er tatsächlich? Für die zu Beginn des Textes dargestellte ntv.de-Grafik wird die Differenz aus diesen beiden Angaben gebildet und die Abweichung in Prozent dargestellt.
Angestrebt wird eine Reduzierung des temperaturbereinigten Verbrauchs um 25 Prozent oder mehr. Bei 15 bis 25 Prozent Rückgang gegenüber dem Referenzwert deutet der Indikator auf eine "angespannte" Lage hin. Temperaturabhängige Einsparungen von weniger als 15 Prozent gelten als "kritisch".
Diese neuen Vorgaben hatten bei der Vorstellung der Indikatoren zu Irritationen geführt. Schließlich hatte die Bundesnetzagentur zuvor ein Sparziel von mindestens 20 Prozent ausgegeben - und hält daran auch weiterhin fest. Dabei beruft sich die Behörde allerdings auf den tatsächlichen Verbrauch und Modellrechnungen zur Entwicklung der Speicherstände. Die Gründe, welche Faktoren den Bedarf bedingt haben könnten, sind hier zweitrangig.
Aufschlussreich sind die neuen temperaturabhängigen Indikatoren dennoch - insbesondere, weil sie erstmals eindeutige Belege für eine Verhaltensänderung in der Bevölkerung liefern.
Quelle: ntv.de, lst