100 Jahre Mode aus Schwaben Wie sich Trigema gegen den Trend stemmt
26.10.2019, 15:15 Uhr
Trigema ist seit 100 Jahren in Familienhand: Wolfgang und Elisabeth Grupp mit ihren Kindern Wolfang und Bonita.
(Foto: dpa)
In Zeiten von Billig-Mode und "Fast Fashion" will ein schwäbisches Bekleidungsunternehmen alles anders machen – und verfolgt dabei noch immer die gleichen Ziele: Trigema setzt auf Qualität und regionale Produktion. In Burladingen feiert das Unternehmen 100. Geburtstag.
In Schwaben setzen Affen auf zeitlose Eleganz: Seit knapp 30 Jahren ist ein Schimpanse Hauptdarsteller der Werbespots des deutschen Bekleidungsherstellers Trigema. Verkleidet als Nachrichtensprecher preist er Shirts und Wäsche aus deutscher Produktion an. Der tierische Schauspieler musste inzwischen einem computeranimierten Darsteller weichen. Das Outfit aber blieb stets gleich: weißes Hemd, schwarze Krawatte. Am 26. Oktober feiern Unternehmerfamilie und Mitarbeiter das 100. Firmenjubiläum.
Aus der Werbung ebenfalls bekannt ist Wolfgang Grupp, der schillernde Inhaber und Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz in Burladingen im Zollernalbkreis. Dessen Worte wirken angesichts des Shoppingverhaltens westlicher Konsumgesellschaften wie aus der Zeit gefallen: "Zu meiner Zielgruppe gehört der Verbraucher, der Wert auf Qualität und Anständigkeit legt. Wer das Billigste möchte, ist nicht unser Kunde." Obwohl billig schwer angesagt ist.
Junge Menschen mit dem Anspruch auf die hippsten Teile kaufen laut Grupp selten seine Ware. Ein T-Shirt mit Hirschmotiv etwa kostet bei Trigema 43,50 Euro. Vergleichbare Print-Oberteile gibt es bei H&M für nicht einmal ein Viertel dieses Preises. Global agierende Billig-Anbieter wie der schwedische Mode-Discounter machen den meisten anderen deutschen Bekleidungsunternehmen schwer zu schaffen. Betroffen sind vor allem die, die das mittlere und das gehobene Preissegment bedienen.
Nach Angaben des Verbands Textil + Mode kalkulieren die großen Handelskonzerne den Preis über die Masse und steuern von der Produktion bis zum Vertrieb alles selbst. Online bedienen Billig-Anbieter eine Schnäppchen-Mentalität und sichern sich zunehmend Marktanteile. "Die Kunden kaufen immer mehr günstigere Mode und geben dafür mehr Geld für Technik und Reisen aus", sagt eine Verbandssprecherin.
Schon immer "Made in Germany"
Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie vertritt 1400 Unternehmen bundesweit, ein Drittel davon produziert Bekleidung. Trigema ist nicht Mitglied - und spielt sowieso eine Sonderrolle in der Branche. "Trigema macht eigentlich keine Mode, sondern Anziehsachen", sagt Peter Frank von der BBE Handelsberatung. Seinen Worten zufolge hat das Unternehmen weder den Anspruch, Modefirma zu sein, noch aktuellen Trends zu folgen.
Bei der Gründung vor 100 Jahren war Trigema noch ein Textilunternehmen von vielen. Im November 1919 kauften Josef Mayer, Wolfgang Grupps Großvater, und dessen Bruder Eugen eine stillgelegte Burladinger Fabrik, um Trikotwaren herzustellen. Die Schwäbische Alb mit ihren überschaubaren Anbauflächen für die Landwirtschaft und ihrem schroffen Klima war damals dank billiger Arbeitskräfte eine Hochburg der Textilindustrie. Rund 100 Betriebe gab es zur Blütezeit im Raum Albstadt. Heute sind es noch knapp 20. Als in den 1970er Jahren in Asien billigere Produktionskosten lockten, verlagerten die großen Firmen ihre Herstellung. Kleinere konnten nicht mehr mithalten und meldeten Insolvenz an.
Bei Trigema übernahm Wolfgang Grupp 1969 die Geschäftsführung. Während er seine Kunden als anhaltend wertkonservativ beschreibt, scheute er die vermeintlichen Regeln der Branche wenig. Wo seine Mitbewerber darum buhlten, ins Sortiment der damaligen Kauf- und Versandhausmagnaten wie Karstadt oder Quelle aufgenommen zu werden, stieg Grupp aus, als die Platzhirsche im Einzelhandel begannen, die Preise zu drücken. Wo andere Firmen in Pakistan oder Indien nähen lassen, beharrt er bis heute auf dem Label "Made in Germany".
Grupp belieferte erst den Selbstbedienungsgroßhandel, dann die Discounter. Seinen Angaben nach lag so etwas unter der Würde seiner Konkurrenten. Unter seiner nicht: "Ich habe noch nie gesagt, das ist nicht fein genug." Dass Trigema dank eines Großauftrags mit Aldi Ende der 1980er Jahre 36 Millionen Umsatz machte, erzählt der Hobby-Jäger heute noch gern.
Kann Trigema vom Fair-Fashion-Hype profitieren?
Grupp entschied 1984, den Handel in die eigenen Hände zu nehmen. In jenem Jahr eröffnete Trigema sein erstes eigenes Verkaufsgeschäft im Allgäu. Die Grupps haben dort einen Jagdsitz. Inzwischen vertreibt das Unternehmen mit 1200 Mitarbeitern die Hälfte seiner Ware selbst, in insgesamt 45 sogenannten Testgeschäften bundesweit. Die meisten liegen abseits der großen Städte und ihren Fußgängerzonen. Sie stehen in Urlaubsgebieten, wo die Kundschaft stetig wechselt.
15 Prozent seiner Kleidung verkauft Trigema im eigenen Onlineshop, 35 Prozent an Kunden aller Art, darunter Einzelhändler und Firmen, die Mitarbeiterkleidung bestellen. Der Umsatz stieg zuletzt um 1,2 Millionen auf 101,6 Millionen Euro. Was Grupp seit Jahren auf der Alb für ein solventes Mittelschichtpublikum propagiert, scheint allmählich auch in Hipsterkreisen angekommen. Angesichts des Klimawandels gelten regional produzierte und öfters tragbare Kleider zunehmend als schick.
Handelsexperte Frank wertet das aber als eine langsame Entwicklung. Den Massengeschmack bestimmt noch anderes: "Wenn es um den eigenen Geldbeutel geht, ist das T-Shirt für 5,99 Euro immer noch verdammt sexy", sagt der Unternehmensberater. Bei Trigema gelten eigene Schönheitsideale - der Affe lebt es vor.
Quelle: ntv.de, Kathrin Löffler, dpa