Koalitionspoker ohne Einigung Jamaika-Verhandler vertagen Sondierungen
17.11.2017, 04:20 Uhr
Bis in die frühen Morgenstunden ringen die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Grünen um eine Einigung bei der Koalitionssondierung. Doch zu einem Durchbruch kommt es nicht. Stattdessen wird eine zusätzliche Verhandlungsrunde anberaumt.
Am frühen Morgen war dann doch erstmal Schluss - nach etwa 15 Stunden Beratungen. Die Unterhändler der Jamaika-Parteien CDU, CSU, FDP und Grüne vertagten ihre Sondierungen auf den Mittag. Auch am Samstag solle noch weiter verhandelt werden, hieß es. Das Pokern der Parteien um ihre Positionen war in der eigentlich letzten Runde dann doch nervenaufreibend. Danach zeigten sich alle Unterhändler dennoch zuversichtlich. Konkrete Ergebnisse wurden jedoch nicht genannt.

Ursprünglich hatten die Jamaika-Parteien angestrebt, ihre Sondierungsgespräche am Freitagmorgen zu beenden und dann über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu entscheiden.
(Foto: dpa)
FDP-Chef Christian Lindner betonte, dass ein Bündnis der vier unterschiedlichen Parteien zustande kommen könnte. Ein solches "historisches Projekt darf nicht an ein paar Stunden, die fehlen, scheitern", sagte er nach den Beratungen. Die Unterhändler hätten in vielen Bereichen Gemeinsamkeiten festgestellt. Allerdings gebe es noch unterschiedliche Auffassungen besonders in der Migrations- und Finanzpolitik. FDP-Vize Wolfgang Kubicki zeigte sich dagegen frustriert. Es sei kein Vertrauen aufgebaut worden.
Kanzlerin Angela Merkel sagte nach Ende der Gespräche nur: "Guten Morgen. Heute geht's weiter." Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte, man müsse jede Chance nutzen, zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen. Das gebiete die Verantwortung für das Land. Der CDU-Vize sagte aber auch: "Es gab bei vielen Themen ein Verstehen, aber keine Kompromisse. Das ist das Traurige." Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte, wie lange die Verhandlungen noch dauern werden, "hängt auch vom Schiedsrichter ab" - ohne den Namen von Merkel zu nennen: "Entscheidend ist das Ergebnis.".
Am späten Donnerstagabend waren die Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis wegen massiver Differenzen beim Klimaschutz, dem Familiennachzug von Flüchtlingen, beim Abbau des Solidaritätszuschlags und letztlich wieder bei den Finanzen ins Stocken geraten. Daraufhin bemühten sich die Verhandlungsführer in Einzelgesprächen, wieder Bewegung in die Gespräche zu bringen. So habe CSU-Chef Horst Seehofer nicht nur mit Merkel und dem hessischen CDU-Regierungschef Volker Bouffier gesprochen, sondern auch mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von den Grünen, hieß es.
Kernstreitpunkt Familiennachzug
Vieles hängt den Angaben zufolge am Flüchtlingsthema und dabei besonders an der Unionsforderung, den bis März 2018 befristeten Stopp des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus zu verlängern. Die Grünen wollen die Regelung auslaufen lassen und den Nachzug wieder ermöglichen. Sie zeigten sich dann aber dem Vernehmen nach gesprächsbereit. Das Angebot von Merkel bei Klimaschutz und Kohleausstieg sahen sie als ersten Schritt, der annehmbar sei, wenn sich die CSU beim Thema Flüchtlinge bewege. Merkel hatte eine Reduzierung der Kohlestromproduktion um sieben Gigawatt angeboten. Union und FDP hatten ursprünglich nur drei bis fünf Gigawatt zugestehen wollen, die Grünen wollten acht bis zehn Gigawatt.
Dem Vernehmen nach sollte es dabei um Strom aus Braunkohle gehen. Die Produktion sollte allerdings im Einvernehmen mit den Kraftwerksbetreibern reduziert werden. Die Grünen kündigten schon vor Beginn der entscheidenden Runde an, auf ihre bisherige Forderung nach einer höheren Dieselsteuer zu verzichten. Dies erfordere aber Gegenleistungen der anderen Parteien. Fraktionschef Anton Hofreiter zählte dazu unter anderem strengere Regeln für den Kohlendioxid-Ausstoß, ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer als Kaufanreiz für emissionsarme Pkw sowie wirksame Lösungen für gesunde Luft in den Städten.
Beratungen über finanziellen Spielraum
Den Angaben zufolge haben die Verhandlungsführer um Merkel auch lange mit dem geschäftsführenden Finanzminister Peter Altmaier über die Finanzierung verschiedener Projekte beraten. Zum Abbau des Solis, der entscheidend für den finanziellen Spielraum der künftigen Regierung ist, hieß es in einem Verhandlungspapier: "Der Solidaritätszuschlag wird schrittweise abgebaut." Allerdings waren die Details der vorgesehenen drei Stufen weiter umstritten.
Die Verhandlungsgruppen gingen mit einem 61 Seiten starken Einigungsentwurf in die Gespräche. In der Präambel des Papiers heißt es: "Uns eint die Verantwortung für die Menschen und die Zukunft unseres Landes." Das Wahlergebnis habe die vier Parteien vor die Aufgabe gestellt, eine handlungsfähige und erfolgreiche Bundesregierung zu bilden. "Wir wollen aus unterschiedlichen Auffassungen neue und überzeugende Antworten gewinnen."
Merkel bekräftigte vor Beginn der letzten Runde: "Ich glaube, es kann gelingen." Und die Kanzlerin betonte auch, aus einem Erfolg der Jamaika-Verhandlungen könne "etwas sehr Wichtiges für unser Land in einer Zeit großer Polarisierung entstehen". Sie forderte alle Beteiligten auf, jetzt die entscheidenden Kompromisse zu machen.
Quelle: ntv.de, cri/dpa/AFP