Politik

Faktencheck Was taugt das Minsker Abkommen?

Auch die Separatisten in Donezk und Luhansk ließen in den vergangenen Wochen eine gewisse Bereitschaft erkennen, den Friedensplan von Minsk zu befolgen.

Auch die Separatisten in Donezk und Luhansk ließen in den vergangenen Wochen eine gewisse Bereitschaft erkennen, den Friedensplan von Minsk zu befolgen.

(Foto: REUTERS)

Das Abkommen von Minsk ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Die Waffenruhe in der Ostukraine ist zwar brüchig, aber die Lage beruhigt sich. Dennoch gibt es ein Problem, an dem alles scheitern könnte. Ein Zwischenfazit.

Schuld sind immer die anderen. Russland habe die Waffenruhe mehr als 1000 Mal gebrochen, die Ukraine dagegen "jeden einzelnen Vertragspunkt von Minsk erfüllt", das sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor einigen Tagen. Die Lage in der Ukraine steht und fällt mit dem "Minsk II"-Abkommen, das Poroschenko und Merkel Anfang Februar in Minsk gemeinsam mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Frankreichs Staatschef François Hollande verhandelt haben. Am Ende stand ein Abkommen mit 13 Punkten – ein Fahrplan für den Frieden, in dem sich die Konfliktparteien unter anderem auf eine Waffenruhe und den Abzug der schweren Waffen einigten. Aber haben die Beschlüsse die Lage verbessert? n-tv.de zieht nach sechs Wochen eine Zwischenbilanz.

Der Waffenstillstand trat am 15. Februar in Kraft und startete holprig. In Debalzewe, wo sich die Konfliktparteien gegenüberstanden, während Merkel, Poroschenko & Co. in Minsk verhandelten, hielten die Kämpfe an. Die Separatisten kesselten ukrainische Soldaten ein und drängten sie schließlich zum Rückzug. Viele Beobachter erklärten die Waffenruhe bereits für gescheitert, doch die Lage beruhigte sich. Zwar gibt es östlich von Mariupol vereinzelt Kämpfe, die Befürchtung, dass die Hafenstadt fallen werde, bestätigte sich bisher nicht.

Die ukrainische Seite wirft den Separatisten immer wieder vereinzelten Beschuss und einen Bruch des Waffenstillstands vor. Seit deren Beginn starben mehr als 60 Soldaten. Dennoch zog Poroschenko in der vergangenen Woche ein positives Fazit: Seit mehreren Tagen sei kein ukrainischer Soldat mehr getötet worden, sagte er. "Dies ist ein klarer Hinweis auf eine allmähliche Deeskalation." Auch aus Sicht der OSZE, die die Einhaltung des Abkommens kontrollieren soll, hält die Waffenruhe weitgehend. Wo gekämpft werde, geschehe dies mit wesentlich geringerer Intensität, heißt es.

Osteuropa-Experte Stefan Meister von der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" zieht eine optimistische Bilanz: "Die Konfrontation ist immer noch da, aber der Krieg wurde runtergefahren", sagte er n-tv.de. "Es gibt nicht mehr diese heißen Kriegshandlungen, die es vor dem Minsker Abkommen gab. Es sieht viel besser aus als vorher, wir haben eine weitgehende Waffenruhe. Das ist positiv, ein Erfolg, allein weil es Tage gibt, an denen keine Menschen mehr sterben."

"Es gibt kaum Vertrauen"

Der Abzug der schweren Waffen aus einer Pufferzone sollte am 16. Februar beginnen und am 3. März abgeschlossen sein. Tatsächlich lief auch dieser Punkt schleppend an. Infolge der Schlacht um Debalzewe begann Kiew erst knapp zwei Wochen später als vorgesehen mit dem Waffenabzug. Poroschenko bestätigte vor einigen Tagen, dass beide Seiten einen Großteil ihrer Geschütze zurückgezogen haben.

Meisters Fazit: "Beide Seiten sind sehr vorsichtig, es gibt kaum Vertrauen. Das größte Problem ist: Die OSZE hat das Recht, den Abzug zu kontrollieren. Aber gerade auf Seite der Separatisten ist dies kaum möglich. Insofern kann das Abkommen nicht vollständig eingehalten werden. Aber: Der Teil-Abzug ist positiv, die Frage ist, wie dauerhaft das ist."

Das Minsker Abkommen beinhaltet auch einen Gefangenaustausch, den die Konfliktparteien bis zum 7. März durchgeführt haben sollten. Damit begannen die ukrainische Armee und die Rebellen am 21. Februar. In Scholobok nordwestlich von Luhansk wurden 139 Soldaten und 52 Separatisten übergeben. Später folgen weitere Freilassungen. Eine Frau ist jedoch weiterhin in Haft: die ukrainische Kampfpilotin Nadja Sawtschenko. Die 33-Jährige sitzt seit Sommer 2014 in einem russischen Gefängnis. Moskau lehnt eine Freilassung ab.

Wie in dem Friedensplan vorgesehen, erließ das ukrainische Parlament am 17. März zwei Autonomiegesetze, die den Regionen Donezk und Luhansk mehr Selbständigkeit einräumen. Bevor der Sonderstatus in Kraft tritt, sollen Wahlen im Einklang mit ukrainischem Recht und unter internationaler Beobachtung stattfinden. Sowohl Separatisten als auch die russische Regierung lehnen dies ab. Dies sei eine "empörende Verletzung" des Friedensplans, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Aus Sicht von Osteuropa-Experte Meister liegt das Problem im Minsker Abkommen selbst. Dieses sei zu allgemein gehalten, die konkrete Ausgestaltung einer Autonomie der Separatistengebiete bleibe offen. "Das lässt jetzt für beide Seiten Spielraum, um zu behaupten, dass die andere Seite das Abkommen nicht erfüllt."

Grundsätzlich wirft Meister beiden Seiten mangelnde Kompromissbereitschaft vor. Die ukrainische Regierung fordert er dazu auf, ihren Boykott aufzugeben und endlich direkte Gesprächen mit den Separatisten zu führen. Andernfalls könnte die halbwegs stabile Situation schnell wieder kippen. "Wenn man in bestimmten Grundfragen in den nächsten Wochen nicht weiterkommt, könnte es sein, dass eine Seite wieder Druck auf die andere ausübt. Das kann man am besten mit Kampfhandlungen. Und dann kann das, was in den anderen Bereichen erreicht wurde, schnell wieder verloren gehen", sagt Meister. Das Zwischenfazit: Das Minsk-Abkommen hat die Situation in der Ukraine verbessert, den Konflikt aber nicht gelöst.

Quelle: ntv.de

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