Sitzenbleiber fliegen rausBürgerliche wieder auf Stimmenfang
Wie so oft vor wichtigen Wahlen versucht das bürgerliche Lager, mit Ausländerpolitik zu punkten: Diesmal soll Zugewanderten die Aufenthaltserlaubnis aberkannt werden, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres einen Sprachtest bestanden haben.
Union und FDP wollen die Zuwanderungsregeln verschärfen. Worauf sie es mit ihrem aktuellen Vorstoß abgesehen haben, liegt auf der Hand: Punkte müssen her! Punkte, die das bürgerliche Lager durch eine umstrittene Politik und peinliche Skandale eingebüßt haben. Genannt werden sollen nur die Änderungen an den Hartz-IV-Gesetzen, das Wirrwarr in der Gesundheitspolitik, eine Steuerreform, die gar keine ist, oder der Abgang des Verteidigungsministers.
Neuzuwanderer müssen bereits jetzt einen Integrationskurs besuchen, allerdings reicht eine regelmäßige Teilnahme am Unterricht. Wer nicht erscheint, kann schon jetzt sein Aufenthaltsrecht verlieren. Weshalb also der Vorstoß mit den Sitzenbleibern? Wollen die Koalitionsparteien wieder in Roland-Koch-Manier die Angst vor Überfremdung schüren? Wenn die Wähler in eineinhalb Wochen in Sachsen-Anhalt, in zweieinhalb Wochen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg und im September in Mecklenburg-Vorpommern mit urbürgerlichen Ängsten mobilisiert werden können, haben Schwarz und Gelb schon die halbe Miete eingefahren.
Niemand will bezweifeln, dass Deutschland ein modernes Zuwanderungssystem braucht. Eines, das sich an einer "Gesellschaft in Bewegung" orientiert, das dem demografischen Wandel Rechnung trägt und in ein Europa mit offenen Grenzen passt. Drohungen wie "Wer die Prüfung nicht besteht, fliegt raus" sind wenig hilfreich – sie sind populistisch und treffen die Falschen, nämlich die Zuwanderer im Allgemeinen.
Klar auch, dass die CSU nach dem Abgang ihres Superstars und Abschreibers einen Phantomschmerz überwinden muss. Sprüche gegen Islamisierung und Zuwanderung wirken dabei wie Wundermedizin. Die schlimmen Nebenwirkungen sind offenbar egal, wenn es darum geht, der Partei wieder auf die Beine zu helfen. Merkt denn keiner, dass viele Sprüche, aber wenig Substanz genau das befördern, vor dem alle warnen: Frust gegenüber Minderheiten und Politikverdrossenheit?