
Manchmal ist es gar nicht so einfach, sein Leiden in einer Fremdsprache auszudrücken,
(Foto: picture alliance / Christina Sab)
Winterzeit ist Grippezeit. Viele Leute breiten dann ohne Hemmungen ihre Körperleiden aus - sogar auf Englisch. Falls Sie auch zu dieser Gruppe zählen, machen Sie es wenigstens verständlich.
Das neue Jahr hat gerade begonnen, da schwappt uns im Büro und an anderen öffentlichen Orten schon die erste Grippewelle entgegen. Flott englisch formuliert, ist ja auch gelegentlich von einem "Flunami" die Rede - die Kreuzung aus der englischen "Flu" und "Tsunami".
Kranke Mitmenschen, die den Smalltalk nicht mögen, erleben solche Phasen als Hochsaison. Ohne Not plaudern sie dann über ihre verstopften Nasen und verschleimte Bronchien. Oder sie lassen sich fröhlich über die Farbe des Auswurfs und über andere Körperflüssigkeiten aus - und stoßen dabei auf Interesse und Verständnis.
Wer nicht aus Deutschland kommt, kann sich über dieses gruppendynamische Ritual nur wundern. Besonders krankhaft wird es, sobald wir für unsere Diagnosen den Ambulanzkoffer in unserer Lieblingsfremdsprache Englisch hervorholen, bloß weil der Kollege aus dem Ausland "How are you?" gefragt hat. Es sind Momente, die wirken, als hätten wir es mit dem Fragenkatalog einer ärztlichen Untersuchungskommission zu tun: Geht es Ihnen schlecht? Wenn ja, warum? Sind Sie ansteckend? Wie hat sich die Krankheit entwickelt? Wie beeinträchtigen die Beschwerden Ihr Leben?
Hier eine Auswahl von Antworten, die ich so oder so ähnlich schon gehört habe:
- "Not so good, there is something in the air, you know. I feel it coming." (Eine Ansteckung ist zu befürchten.)
- "Much much better. I had such a heavy illness. A lot of slime, five days in bed. Without a shower." (Eine Heilung ist fast abgeschlossen.)
- "So lala. On a winter day like this I must always think of my lung disease four years ago. I almost died, you know." (Eine Erkrankung war traumatisch.)
- "Great. But I heard you are not so well with your prostata and you had a grippal infect last month, right?" (Das Bedürfnis, über Krankheiten zu sprechen, wird auf den Gesprächspartner übertragen.)
- "I am fine."
"I am not so well"
Sie werden mir zustimmen: Der letzte Satz will nicht in die Reihe passen. Dabei ist er der einzige gültige Standard in der englischsprachigen Gesprächskultur - selbst wenn es einem schlecht geht! Will man etwas mehr ins Detail gehen, sagt man "I am not so well". Das heißt im deutschen Klartext: "Mir geht es beschissen." Oder "I am poorly", was so viel und so wenig bedeutet wie "Ich kränkele etwas".
Wenn Sie wissen möchten, welche Bevölkerungsgruppen besonders anfällig für die Grippe sind, hören Sie rein in diese Ausgabe von "Wieder was gelernt". Abonnieren Sie unsere Podcasts auch auf iTunes, Spotify und Deezer oder per Feed in der Podcast-App Ihrer Wahl.
Mein Vater erzählte mir einmal, dass er zu Schulzeiten gewagt hatte, genau das seinem Lehrer zu sagen: "Ich glaube, ich bin ein bisschen krank." Und was hatte der Lehrer geantwortet? "Wenn du mir nicht genau erklären kannst, was du hast, dann bist du auch nicht krank." Ich denke oft, dass dieser Grundsatz bis heute gilt: Privatsphäre hin oder her - wer sich in Deutschland weigert, seine Krankheiten zu erläutern, läuft Gefahr, sich unglaubwürdig zu machen. Vieles deutet darauf hin, dass wir unter einer allgemeinen, krankhaften Erklärsucht leiden. Auch sie lässt sich flott englisch ausdrücken, diesmal mit einer Abkürzung: TMI! Das steht für "too much information".
Darüber hinaus sind Denglische Patienten häufig von einer Sprachkrankheit befallen, die ich hier angemessen lateinisch "Vocabulitis" nennen möchte: Man benutzt ständig die falschen Wörter. Das kann zu kleinen und größeren Missverständnissen führen. Ich erinnere mich, wie ich selbst einmal von meiner "angina" berichten wollte. Unfreiwillig klagte ich über Brustenge und Herzschmerzen - weil die Mandelentzündung, die wir "Angina" nennen, im Englischen "tonsillitis" genannt wird.
Das Problem beginnt mit einer typisch deutschen Laiendiagnose, die wahrscheinlich mehr als 500 Jahre alt ist: "Kreislaufprobleme". Immer wieder höre ich, wie deutschsprachige Menschen in allen Altersgruppen versuchen, Aufmerksamkeit mit "circulation problems" auf sich zu ziehen. Tatsächlich aber sind sie unübersetzbar. Und wer sich in eine "cardiovascular disease" hineinsteigert (wie das Wörterbuch vielleicht suggeriert), riskiert den Abtransport im Notarztwagen!
Zum "GP" gehen
Doch was, wenn wir wirklich einmal über unsere Krankheiten sprechen müssen? Zum Beispiel mit einem englischsprachigen Arzt. (In Großbritannien nennt man den Hausarzt übrigens "GP": "general practitioner". In den USA "family doctor". Oder einfach "doc".)
Genau genommen brauchen wir dann gar kein Englisch zu sprechen! Denn die kranken Körperteile und -funktionen lebender Menschen werden oft hinter einem Schleier toter Sprachen versteckt, vor allem Latein. So wie "tonsillitis" oder wie "flu", die von "influenza" stammt. Natürlich kann man eine Erkältung auch ganz unlateinisch "cold" nennen oder von "illness" und "sickness" sprechen. Von "headache" und von "splitting headache" (hämmernden Kopfschmerzen), von "sore throat" (Halsweh) oder "cough" (Husten). Trotzdem ist eine Hirnhautentzündung nicht etwa eine "brain skin infection", sondern "meningitis" und eine Lungenentzündung keine "lung infection" oder "lung disease", sondern "pneumonia", gesprochen nüh-mou-nia.
Der Journalist Lane Greene hat das Deutsche einmal als "amusingly overliterary" bezeichnet, also als dermaßen wörtlich, dass es manchmal wie eine Kindergartensprache wirkt, die große Erheiterung auslösen kann. Denken Sie nur an unsere Schleimhäute, die im Englischen nicht etwa "slime skins" heißen, sondern "mucous membranes". Das stammt von "mucus", dem "Rotz" und "Schleim" der alten Römer. Heute ist dafür ein griechischer Ausdruck gängig: "phlegm". Jeder englischsprachige Arzt wäre begeistert, wenn Sie das wüssten und sogar richtig aussprechen könnten: flemm!
Wer nun ganz besondere Kenntnisse vom Stapel lassen möchte, sollte um keine Antwort verlegen sein, wenn einem die wichtigste aller englischen Arztfragen gestellt wird: "What kind of a cough have you got?" Ich kenne kein anderes Leiden, über das gerade die Engländer leidenschaftlicher sprechen als Husten. (Vielleicht Europa, aber das ist ein anderes Thema.)
Hier dürfen wir dann auch ins Detail gehen.
- barking cough = bellender Husten
- bitonal cough = Zweitonhusten
- chesty cough oder irritating cough = Reizhusten
- choking cough oder retching cough = Würgehusten
- convulsive cough oder spasmodic cough = Krampfhusten
- dry cough = trockener Husten
- dry hacking cough = trockener Stoßhusten
- staccato cough = Stakkatohusten
- tickling cough = kitzelnder Husten
- velcro cough = Husten, der klingt wie ein Klettverschluss
- wet cough oder productive cough = nasser, schleimiger Husten
- whooping cough = Keuchhusten
- blood cough = Bluthusten
- No more coughing = Tod.
PS: Mehr über Krankheiten und ihre englischen Übersetzungen finden Sie im Kapitel "Der Englisch-Patient" in meinem Buch "The Devil lies in the Detail. Band 1".
Get well soon - gute Besserung!
Quelle: ntv.de