Leben

Der Denglische Patient Mit fancygen Grüßen!

Immer mehr Anglizismen schleichen sich in unseren Sprachgebrauch ein.

Immer mehr Anglizismen schleichen sich in unseren Sprachgebrauch ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Unser Leben könnte so entspannt und stilvoll sein, doch wir nennen es lieber "chillig" und "stylish" - und finden das kein bisschen "strange". Dabei ist es ganz schön seltsam, wie englisch der deutschsprachige Alltag geworden ist. Warum eigentlich?

Neulich brauchte ich ein Hotelzimmer - nicht in Berlins hipper Mitte oder im Frankfurter Westend, sondern in Lüneburg, einer Kleinstadt im Norden, in deren Nähe einst die Engländer stationiert waren, aber wo im Allgemeinen flüssig Deutsch gesprochen wird. Jedes Kind weiß, dass unsere deutsche Muttersprache längst Manager und Mails aufgenommen hat. Staunen musste ich allerdings, als mir die Reservierungsmanagerin aus dem Hotel Bergström eine Mail "mit fancygen Grüßen" schickte. Als Denglischer Patient habe ich schon eine Menge gelesen - aber das noch nicht!

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Wenn Sie diese Kolumne oder meine Bücher kennen, wissen Sie, dass ich mich ausgiebig für deutsch-englisches Alltagskauderwelsch interessiere. Im Buch "Lost in Trainstation - wir versteh'n nur Bahnhof" habe ich es sogar fotografiert und kommentiert. Dabei bin ich zum Schluss gekommen, dass wir angesichts von "Back Factorys" und "Bio Companys" längst nicht mehr in einer rein deutschsprachigen Gesellschaft leben. Das bedeutet nicht automatisch, dass unsere Experten für Marketing, Management und Medien verständliches Englisch sprechen. Vielmehr sorgen sie am oberen Ende unserer Gesellschaft mit der englischen Sprache für ein Maß an Sprachverwirrung, das am unteren Ende - wo über die Integration von Ausländern gestritten wird - mit fast jeder anderen Sprache als Problem stigmatisiert würde.

Im Fall der Grüße aus Lüneburg war ich nun auf einmal ratlos: Was soll das überhaupt bedeuten: "fancyge Grüße"? Und Kauderwelsch hin oder her - müssten es nicht "fancy Grüße" sein?

"Nice" als entfernter Nachfahre von "cool"

Der Blick in den Duden gab mir zwei wichtige Hinweise: Das Adjektiv "fancy" zählt längst genauso zum deutschen Wortschatz wie seine Bedeutungen "ausgefallen", "modern" und "schick". Allerdings darf es niemals dekliniert werden. Astreines Deutsch wäre also nur "mit fancy Grüßen" oder "mit ausgefallenen", "mit modernen" oder "mit schicken Grüßen" - was selbstverständlich niemand ernsthaft schreiben würde. Dann schon lieber "fancyig" - ein Begriff der Umgangssprache, der "fancy" wohl etwas flotter und weniger verbindlich klingen lassen soll. Aus Lüneburg versendet, könnte man vielleicht von "weltstädtisch gemeinten und lässig in ein modernes Computerendgerät getippten Grüßen" sprechen. Oder so ähnlich.

Wie trendy - oder trendig - im deutschen Sprachraum gerade die kleinen englischen Eigenschaftswörter sind, zeigt alleine das Beispiel "nice". Das Wörtchen wurde gleich zwei Male hintereinander zum "Anglizismus des Jahres" gewählt. In der Begründung erklärte die Jury: "Wörter wie nice können sich oft jahrzehntelang in der gesprochenen Sprache halten, ohne schriftsprachliche Spuren zu hinterlassen - man betrachte nur den entfernten Vorfahren cool."

Typisches Problem englischer Lehnwörter

Die Liste der englischen Adjektive, die wir heute ohne Zögern benutzen, wird immer länger: Während man fair, crazy, happy, easy oder tough schon seit Langem hören kann, sind in den vergangenen Jahren fresh, cheeky, hangry (von hungry und angry), epic oder tight hinzugekommen. Ein weiteres stilprägendes Beispiel der Gegenwart ist das Wort "stylish", das alternativ auch in eingedeutschter Schreibweise "stylisch" existiert - und dann nicht selten in regionaler Mundart ausgesprochen wird, etwa auf Sächsisch, Bayerisch oder Kölsch.

Mit "chillig" hat sich hingegen ein Adjektiv durchgesetzt, das ein typisches Problem englischer Lehnwörter darstellt: Während der Duden von "chilligen Sounds" und "chilligem Herumsitzen" schreibt, fällt das Wort nämlich in die Kategorie der Pseudoanglizismen, die in der Originalsprache eine andere Bedeutung haben. Bedeutet "chilly" im Englischen "unterkühlt", "fröstelnd" oder auch "sarkastisch", kann man die deutschen Bedeutungen "entspannt" oder "erholsam" nur mit "relaxed" übersetzen.

Überhaupt ist nicht in allen Wörtern, die Englisch aussehen, auch Englisch drin: Das beste Beispiel kennen wir aus den Lebensmittelauslagen. Dreimal dürfen Sie raten, welches Adjektiv gar kein Englisch ist - und deshalb auch nicht englisch ausgesprochen wird:

  • "Graved Salmon"
  • "Pulled Pork"
  • "Corned Beef"?

Ich freue mich auf Ihre Antwort!

Mit fancygen Grüßen,

Ihr Denglischer Patient

Quelle: ntv.de

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