Familientragödie von Rosenheim Bruder bestreitet Wegsperren
20.04.2016, 12:58 Uhr
Die dreiköpfige Familie lebte in der Dachwohnung, konnte sie aber offenbar nicht mehr bezahlen.
(Foto: dpa)
Was geschah in der verwahrlosten Wohnung in Rosenheim? Wurde die 26-jährige Tochter der Mieterin wirklich jahrelang weggesperrt? Der Sohn erzählt eine andere Geschichte.
Nach der Befreiung einer jungen, geistig behinderten Frau in Rosenheim hat die Polizei mit umfassenden Ermittlungen begonnen. Dabei soll auch geklärt werden, ob die 26 Jahre alte Autistin tatsächlich wie zunächst angenommen, jahrelang oder womöglich nur hin und wieder vorübergehend in ein Zimmer eingeschlossen wurde, sagte ein Polizeisprecher. Der Fall sei eine "familiäre Tragödie".
Wie inzwischen bekannt ist, lebte in der Wohnung neben Mutter und Tochter auch ein Sohn. Der Junge besucht ein örtliches Gymnasium. Der Schüler bestritt in der "Bild"-Zeitung das jahrelange Wegsperren und sprach davon, dass seine Mutter die Tochter zum Schutz vor deren Aggressionen in gewissen Situationen eingeschlossen habe.
Wie der Polizeisprecher sagte, prüfen die Ermittler nun auch dies. Entscheidend sei, dass die Betroffenen aus dieser Situation heraus seien. Es habe sich um "geradezu menschenunwürdige Verhältnisse" in der Wohnung gehandelt, mit schlimmen hygienischen und allgemeinen Zuständen.
"Ausweglose Situation"
Bei der bevorstehenden Zwangsräumung ihrer Wohnung hatte sich am Dienstag die 54 Jahre alte Mutter womöglich in suizidaler Absicht im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses in die Tiefe gestürzt. Polizeisprecher Stefan Sonntag vermutete, dass sich die Frau in einer für sie ausweglosen Situation befand. Beim anschließenden Polizeieinsatz entdeckten die Ermittler die eingesperrte Tochter.
Diese ist inzwischen in einer psychiatrischen Fachklinik untergebracht, der Bruder wird von den Behörden betreut. Dem Polizeisprecher zufolge befindet sich die Mutter auf dem Weg der Besserung. Sie sei aber noch nicht vernehmungsfähig. Die 26-Jährige Tochter wird der Polizei bei der Aufklärung des Falles kaum helfen können, wie Sonntag meint: "Eine Kommunikation mir ihr ist sehr, sehr schwierig."
Nachbarn hatten berichtet, vor allem nachts habe die Tochter öfter geschrien und gegen die Wände der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung getreten. Angeblich war ein Umzug in eine größere Wohnung geplant, damit der Sohn ein eigenes Zimmer bekommen kann.
Quelle: ntv.de, sba/AFP/dpa