Tüv droht Millionen-Zahlung Brustimplantate-Prozess wird neu verhandelt
10.10.2018, 16:59 Uhr
Tausenden Frauen waren mangelhafte Implantate eingesetzt worden.
(Foto: picture alliance / Bruno Bebert/)
In Deutschland ist der Prozessweg im Streit um Schadenersatz für fehlerhafte Brustimplantate zu Ende beschritten. In Frankreich indes können Tausende Geschädigte weiter auf ein Urteil in ihrem Sinne hoffen.
Im Skandal um mangelhafte Brustimplantate wird das Schadenersatz-Verfahren gegen den Tüv Rheinland in Frankreich neu aufgerollt: Der Pariser Kassationshof ordnete einen neuen Prozess gegen den Technischen Überwachungsverein an. Das oberste französische Gericht hob ein Urteil der Vorinstanz auf, die den Tüv freigesprochen und eine Schmerzensgeld-forderung von Frauen in Höhe von fast sechs Millionen Euro abgewiesen hatte. Mit dem Fall muss sich nun das Pariser Berufungsgericht befassen.
Der Opferverband Pipa erklärte, die Gerichtsentscheidung gebe "Tausenden Opfern in der ganzen Welt die Hoffnung zurück". Der Geschädigten-Anwalt Olivier Aumaître betonte, der Richterspruch ebne grundsätzlich den Weg für eine Entschädigung aller 400.000 Opfer weltweit.
Die Anwältin des Tüv, Cécile Derycke, erklärte dagegen, der Kassationshof habe sich "mit den Fragen der Verantwortung nicht befasst". Der Überwachungsverein sei zuversichtlich, dass weitere Instanzen ihm Recht gäben.
Durch die Instanzen
Der Tüv hatte die Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implants Prothèses (Pip) zwischen 1997 und 2010 für die Vermarktung in der EU zertifiziert. Dann stellte sich heraus, dass der Produzent ein minderwertiges Gel für die Silikonkissen nutzte. Die französischen Behörden stoppten daraufhin die Herstellung und den Vertrieb. Der Tüv betont, die Mängel seien für ihn nicht erkennbar gewesen.
Die fehlerhaften Implantate wurden auch nach Deutschland und in andere Länder geliefert. Die Firma Pip ist längst aufgelöst, ihr Gründer Jean-Claude Mas sitzt eine vierjährige Haftstrafe in Frankreich ab.
In Deutschland hatte zuletzt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe zugunsten des Tüv entschieden. Er urteilte im Juni 2017, der Tüv könne nicht für die mangelhaften Silikonkissen haftbar gemacht werden. Der BGH lehnte die Klage einer Deutschen ab, die 40.000 Euro Schmerzensgeld gefordert hatte.
Zuvor hatte auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Tüv in seiner Haltung bestärkt: Das Gericht entschied auf Vorlage des BGH, der Tüv sei nicht verpflichtet gewesen, Pip mit unangemeldeten Inspektionen zu überprüfen, weil ihm keine konkreten Hinweise auf Mängel der Implantate vorgelegen hätten.
Millionen-Klagen in Frankreich
In Frankreich drohen dem Tüv dagegen noch weitere Verfahren und Entschädigungsforderungen in Millionenhöhe. Das Handelsgericht im südfranzösischen Toulon hatte erst im vergangenen Jahr 20.000 Klägerinnen insgesamt rund 60 Millionen Euro zugesprochen. Dagegen hat der Tüv Berufung eingelegt.
Für den Geschädigten-Anwalt Aumaître liegt die Mitverantwortung des Überwachungsvereins auf der Hand: Er habe "offensichtliche Hinweise darauf gehabt, dass es ein Problem bei Pip gab", sagt Aumaître. "Der Tüv ist eine Institution in Deutschland", fügt der Anwalt hinzu. "In den Augen der Nutzerinnen war die Tüv-Zertifizierung der Implantate die beste Qualitätsgarantie, die es gab."
Quelle: ntv.de, jwu/AFP