China gedenkt der Explosionsopfer Chemikalien regnen über Tianjin
18.08.2015, 10:31 Uhr
Hochauflösende Satellitenaufnahme: Der Unglücksort aus dem All.
(Foto: Google / Skybox Imaging)
Hilflose Trauer an einem noch immer brandgefährlichen Unglücksort: Im Hafen von Tianjin ertönen fast eine Woche nach Beginn der Chemiekatastrophe die Sirenen. Einsetzende Niederschläge schüren neue Sorgen.
Der erste Regen seit dem Explosionsunglück im Hafen von Tianjin hat die Angst vor der Freisetzung giftiger Stoffe in der nordchinesischen Stadt neue Angst angefacht. Auf den Straßen lagere sich weiße Flüssigkeit ab, berichtete die Zeitung "Global Times". Reporter vor Ort berichteten von ungewöhnlichem weißem Schaum auf den Straßen. Der Chefingenieur des Umweltamtes der Zehn-Millionen-Metropole, Bao Jingling, riet der Bevölkerung, sich so gut wie möglich von den Verschmutzungen nahe der Unglücksstelle fernzuhalten.

Der Alptraum eines jeden Gefahrgutbeauftragten: Die Unglücksstelle gleicht einem riesigen Chemielabor - außer Kontrolle.
(Foto: imago/Xinhua)
Der einsetzende Regen löste Sorgen aus, dass die verstreuten Chemikalien bei Berührung mit Wasser gefährlich reagieren könnten. Armee und Feuerwehr sind bemüht, das vergiftete Abwasser aufzuhalten, bevor es die umliegenden Gewässer erreicht.
Mit einer Schweigeminute und einem Konzert aus Schiffssirenen gedachten chinesische Rettungskräfte in Tianjin der Opfer des schweren Explosionsunglücks. Die kurze Zeremonie leitet das offizielle Gedenken ein: Der siebte Tag nach dem Tod ist in China traditionell der wichtigste Trauertag. Bei zwei gewaltigen Detonationen am späten Mittwochabend in einem Gefahrgutlager im Hafen waren mindestens 114 Menschen ums Leben gekommen.
Es steht zu befürchten, dass die Zahl der Todesopfer weiter ansteigt. Bislang werden noch 70 Menschen vermisst, darunter 64 Feuerwehrleute, die zum Zeitpunkt der gewaltigen Detonationen mit der Bekämpfung eines Großbrands in unmittelbarer Nähe des Explosionsorts beschäftigt waren. In den Krankenhäusern der Region liegen noch fast 700 Verletzte, darunter rund 57 Schwerverletzte.
Gift unter freiem Himmel
Die Aufräumarbeiten kommen nur langsam voran. In dem riesigen Trümmerfeld liegen die von der Druckwelle herumgewirbelten und verbeulten Container verstreut zwischen ausgebrannten Häusern und zerstörten Fahrzeugen. Besonders problematisch: Durch die Explosionen in dem Gefahrgutlager wurden große Mengen gefährlicher Chemikalien in weitem Umkreis verteilt, darunter auch das hochgiftige Natriumcyanid.
Bergungstrupps mit Spezialisten in Schutzanzügen versuchen derzeit, tonnenweise Chemikalien aus den herumliegenden und teils beschädigten Behältern einzusammeln und abzutransportieren. Hilfskräfte hätten bislang rund 150 Tonnen mit gefährlichen Chemikalien in Sicherheit gebracht, wie Vizebürgermeister He Shushan berichtete.
Parallel dazu gehen die Suche nach Vermissten weiter, versicherte Chinas Polizeiminister Guo Shenkun. Er forderte die Umweltbehörden auf, die Beobachtung der Luft- und Wasserqualität zu verstärken und die Informationen zügig zu veröffentlichen.
Anwohner verlangen Antworten
In der Bevölkerung rund um den Unglücksort herrschen Misstrauen, Angst und Verunsicherung: Die Bewohner der Stadt sorgen sich um giftige Stoffe in der Luft oder im Wasser. Die Behörden haben Messstationen eingerichtet und auch teils deutlich erhöhte Werte von giftigen Chemikalien gefunden. Doch wurde versichert, dass keine direkte Gefahr für Menschen bestehe.
Dennoch kam es vereinzelt bereits zu Protesten wütender Anwohner. Um aufkommenden Zweifel an der Kompetenz der Behörden und der Parteiführung entgegenzutreten, machte die chinesische Regierung den Vorfall zur Chefsache. Premier Li Keqiang machte sich am Wochenende bei einem Besuch vor Ort persönlich ein Bild von der Lage.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa