Lohfink für Lüge verurteilt Der Totalschaden
22.08.2016, 18:02 Uhr
Gina-Lisa Lohfink stürmt noch während der Urteilsbegründung aus dem Gericht in Berlin-Tiergarten.
(Foto: dpa)
Gina-Lisa Lohfink hat die Geschichte von ihrer Vergewaltigung erfunden. Der Strafe für ihre Lüge hätte sie kaum entgehen können - aber der öffentlichen Demütigung. Stattdessen erhob ihr Verteidigerteam ihren Fall zu einem Präzedenzfall für Deutschlands Sexualstrafrecht.
In Berlin ist eine junge Frau zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie wider besseres Wissen zwei ihrer Bekannten der Vergewaltigung bezichtigt hat. Ihr Motiv: Die Scham über die gegen ihren Willen aufgenommenen und widerrechtlich im Internet verbreiteten Sexvideos. So weit so bitter für alle Beteiligten, die nun zugleich Opfer und Täter sind. Doch Burkhard Benecken macht alles noch ein bisschen größer: "Ich mache mir große Sorgen um die Frauen in Deutschland", sagt der Verteidiger nach der Verurteilung des Models Gina-Lisa Lohfink zu 20.000 Euro Strafgeld wegen falscher Verdächtigung.
Darunter macht es Benecken nicht. Er und sein Anwaltskollege Christian Simonis hatten sich früh dafür entschieden, den Fall Lohfink zu einem Präzendenzfall für die Frauenrechte in Deutschland zu erklären. Davon angefeuert ernannten zahlreiche Aktivisten, darunter erkennbar auch tatsächliche Opfer sexueller Gewalt, Lohfink zu ihrer Gallionsfigur. Sie sei ein Beispiel für den Unwillen der deutschen Justiz, Vergewaltigungsopfer zu schützen.
Ob ihre Mandantin angesichts der dünnen Beweislage womöglich besser beraten gewesen wäre, einen Strafbefehl stillschweigend zu akzeptieren anstatt mit einem Widerspruch ein öffentliches Verfahren anzustrengen, sei dahingestellt. Es ist Lohfinks gutes Recht für ihr Recht zu kämpfen. Und dass ihr Unrecht angetan wurde, ist unbestritten.
Selbst die resolut auftretende Staatsanwältin Corinna Gögge bezeichnete die im Internet verbreiteten Sexvideos des früheren Nachtclubangestellten Sebastian C. und des Fußballspielers Pardis F. als "schäbig". Für Lohfink dürfte es gefühlt keinen Unterschied machen, ob der Sex in jener Juninacht einvernehmlich war oder nicht. Sie meint, missbraucht worden zu sein und ist gegen die vermeintlichen Täter vor Gericht gezogen.
Anwälte begleiten Lohfink in der Öffentlichkeit
Aber den Prozess derart aufzublasen, wie es offenbar Benecken und Burkhard getan haben, war ein Fehler. Brandmarkten die Videoaufnahmen Lohfink in den Augen böswilliger Kommentatoren als leichtlebiges Luder, steht sie nun vor der Weltöffentlichkeit als Lügnerin da, denn selbst die "New York Times" war auf den Fall aufmerksam geworden.
Die Lüge von der Vergewaltigung war der Fehler der erniedrigten Gina-Lisa Lohfink. Die Idee, daraus einen "Kampf für alle Frauen" zu machen, muss aber ihrem Umfeld zugeschrieben werden. Ihre frühere Managerin Alexandra Sinner hatte vor Gericht das Bild einer naiven und leicht zu beeinflussenden Frau gezeichnet, die auch im Alter von 25 Jahren kaum auf eigenen Füßen stehen konnte. Vor Gericht vermittelte Lohfink nicht den Eindruck, dass sich in den vergangenen vier Jahren viel daran geändert hätte.
So war sie Benecken und Simonis ausgeliefert, die sie auch in Fernsehstudios begleiteten und munter weiter die schweren Vergewaltigungsvorwürfe gegen die zwei Männer verbreiteten. Vorwürfe, die schwer wiegen und ganze Existenzen zerstören können. Man musste die beiden vor Gericht als Zeugen geladenen Männer nicht sympathisch finden, um zu begreifen, wie sehr ihnen die Vorwürfe geschadet haben.
Nun droht deren Anwalt mit einer Verleumdungsklage gegen Lohfink. Zu den 20.000 Euro Strafe und den sicher nicht niedrigen Verfahrenskosten könnten sich womöglich noch Schmerzensgelder addieren. Dabei hätten Benecken und Simonis wissen können, auf welch dünnem Eis Lohfink mit ihren Behauptungen stand. Zu widersprüchlich waren ihre Behauptungen und ihr Verhalten nach der Tat.
Gynäkologin erst zwei Wochen später aufgesucht
Benecken selbst betonte im Prozess noch seine Erfahrung mit Sexualstraftaten. Dennoch wollte er dem Gericht glaubhaft machen, dass seine Mandantin anders als andere Opfer von K.o.-Tropfen Erinnerungsfetzen haben könne. Erinnerungsfetzen, die erst nach Sichtung der Videoaufnahmen hochkamen und ausschließlich belastende und nicht auf Video festgehaltene Szenen enthielten wie etwa Schläge und Festhalten.
Diese Erinnerungen kehrten auch erst zurück, nachdem Lohfink mit Pardis F. auch in der Nacht nach der angeblichen Vergewaltigung geschlafen hatte - und das trotz der von Lohfink der Polizei berichteten Schmerzen im Intimbereich sowie zahlreicher Hämatome und Kratzer. Von diesen hatte aber auch eine von Lohfink aufgesuchte Gynäkologin nichts gesehen.
Deren Gedächtnisprotokoll wurde vor Gericht verlesen - und es kam heraus, dass Lohfink die Ärztin nicht wie angegeben am Folgetag, sondern erst zwei Wochen nach der angeblichen Vergewaltigung aufgesucht hatte. So häuften sich die Widersprüche derart, dass Richterin Antje Ebner wohl gar nicht anders konnte, als dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Strafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu folgen.
Dass der von Benecken geforderte Freispruch nicht kommen würde, hat dieser wohl geahnt: Anstatt in seinem Plädoyer die letzte Chance zu nutzen, die zahlreichen Widersprüche seiner vor Gericht schweigenden Mandantin aufzulösen, kam er auf die Reform des Sexualstrafgesetzes zu sprechen.
Richterin ist Medienkampagne zuwider
Die im Juli erfolgte Gesetzesverschärfung sei "ein riesengroßer Erfolg", sagte Benecken. Lohfinks mutiges Auftreten habe "zu einem Umdenken in der Politik" geführt. Und weiter: "Mir geht es um die Frauen in Deutschland und so geht es auch Frau Lohfink."
Mindestens zwei Frauen fühlten sich von Benecken aber nicht vertreten und das brachten Staatsanwältin Gögge und Richterin Ebner auch deutlich zum Ausdruck. Lohfinks Fall zum Präzedenzfall für die Reform des Sexualstrafrechts zu machen, sei "eine Verhöhnung aller Männer und Frauen, die tatsächlich Opfer einer Vergewaltigung geworden sind", sagte Gögge.
Und Ebner erklärte, die Reform sei in erster Linie eine Folge aus einer UN-Konvention, die Deutschland nun ratifiziere, sowie der Debatte über die sexuellen Übergriffe während der Kölner Silvesternacht. Die Verteidiger hätten das Verfahren "für nicht prozessrelevante Interessen missbraucht", sagte Ebner. Sie machte keinen Hehl daraus, wie unsympathisch ihr Lohfinks Medienkampagne war.
Wenn Benecken das Gericht über medialen Druck zugunsten ihrer Mandantin beeinflussen wollte, ist ihm das gründlich misslungen. Doch Lohfink bekam die Rüge für ihren Anwalt nicht mehr mit, weil sie vorzeitig aus dem Saal gestürmt war. Als der Totalschaden offenbar wurde, saß Benecken ganz allein auf der Anklagebank.
Quelle: ntv.de