Ausbruch aus Maßregelvollzug Drei Flüchtige waren vorher schon auffällig
19.08.2024, 00:57 Uhr Artikel anhören
Das Bezirkskrankenhaus am Stadtrand von Straubing hat 230 Therapieplätze.
(Foto: dpa)
Die vier Männer, die am Samstagabend aus dem Bezirkskrankenhaus in Straubing entkamen, sind immer noch auf freiem Fuß. Die Männer gelten als gefährlich, drei von ihnen drohte die Verlegung in eine normale Haftanstalt.
Nach der Flucht von vier Straftätern aus einer geschlossenen Klinik in Straubing dauern die Fahndungsmaßnahmen an. "Mit Hochdruck" werde nach den Männern gesucht, sagte ein Polizeisprecher. Kripo und Staatsanwaltschaft ermittelten wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung. Die Flüchtigen im Alter von 27, 28 und 31 Jahren gelten laut Polizei als gefährlich. Sie waren am Samstagabend aus dem Bezirkskrankenhaus (BKH) entkommen.
Die Männer befanden sich aufgrund von Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten im Maßregelvollzug des Bezirksklinikums. Am Samstagabend sollen sie einen Mitarbeiter bedroht, attackiert und festgehalten haben, um die Öffnung der Pforte zu erzwingen. Dabei hätten sie stumpfe und spitze Gegenstände verwendet. Der Mann habe Verletzungen im Gesicht erlitten und werde in einer Klinik stationär behandelt, sagte die Polizeisprecherin. Danach seien die vier Männer zu Fuß geflohen.
Überlegungen zu Therapieabbruch
Im Maßregelvollzug sind Menschen untergebracht, die aufgrund von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit - etwa wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtkrankheit - nicht in den Strafvollzug und somit nicht in ein Gefängnis kommen.
Laut einer Sprecherin des Bezirkes Niederbayern war bei drei der vier Männer geplant, den Abbruch der Therapie anzuregen. Einer habe erst vor Kurzem einen sogenannten Lockerungsmissbrauch begangen, welcher Art, sagte die Sprecherin nicht. Nach einem Abbruch der Therapie werden die Betroffenen in den Strafvollzug zurückverlegt.
Einige Dutzend Einsatzkräfte bemühen sich laut Polizei derzeit, die Männer aufzuspüren. Ein Hubschrauber und Suchhunde seien heute Nacht - anders als in der vorherigen Nacht - nicht zur Fahndung genutzt worden. Durch Zeugenhinweise habe man zwar noch keinen konkreten Erfolg, aber Ermittlungsansätze generieren können, sagte ein Polizeisprecher.
Ministerin will Sicherheitskonzepte überarbeiten
Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf forderte eine detaillierte Aufarbeitung des Vorfalls sowie Konsequenzen. "Es kommt alles auf den Prüfstand. Vom Maßregelvollzug darf keine Gefahr für die Bevölkerung und die Mitarbeiter in den forensischen Kliniken ausgehen", teilte die CSU-Politikerin mit. "Die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung haben oberste Priorität."
Die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen müssten bayernweit verschärft und verbessert werden, so die Ministerin. Dazu gehöre die Weiterentwicklung von Geisellage-Szenarien und Schulungen für die Mitarbeiter. Es müsse auch geprüft werden, ob in bestimmten Fällen Therapieabbrüche und eine Überstellung in die Justizvollzugsanstalten schneller rechtssicher stattfinden können. "Solche Ausbrüche dürfen nicht wieder passieren."
Erst vergangene Woche war ein Insasse des Bezirkskrankenhauses Mainkofen im niederbayerischen Deggendorf geflohen - allerdings während eines begleiteten Freigangs. Der Mann entkam seinen Begleitern während eines Kinobesuchs in Plattling und wurde knapp acht Stunden später von der Polizei gefasst und in die Klinik zurückgebracht. Der Vorfall werde weiterhin intensiv aufgearbeitet, teilte eine Bezirkssprecherin mit.
Das Bezirkskrankenhaus Straubing ist nach eigenen Angaben eine Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllt den gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzuges unter der Trägerschaft des Bezirkes Niederbayern. Es gibt 230 Therapieplätze.
In der 50.000-Einwohner-Stadt in Niederbayern sind momentan ohnehin viele Polizisten im Dienst: Es läuft das Gäubodenvolksfest, das mit rund 1,3 Millionen Besuchern binnen gut zehn Tagen als zweitgrößtes Volksfest Bayerns nach dem Oktoberfest gilt. Entsprechend sind Tausende Festbesucher und Nachtschwärmer unterwegs. Für sie besteht laut Polizei keine Gefahr.
Quelle: ntv.de, ino/dpa