Erben-Anwalt kritisiert Behörden Erstes Gurlitt-Bild wird zurückgegeben
15.05.2015, 17:57 Uhr
Der Vertreter der Familie Rosenberg, Christopher Marinello inspiziert das Bild nach der Rückgabe.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Rückgabe der Nazi-Raubkunst aus der Gurlitt-Sammlung an ihre rechtmäßigen Besitzer ist seit über einem Jahr beschlossene Sache. Die "Sitzende Frau" wird als erstes Gemälde erst jetzt in die rechtmäßigen Hände gelegt - dennoch mit positiven Signalwirkung.
Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass die Experten der Taskforce "Schwabinger Kunstfund" zu dem Ergebnis kamen: Bei der "Sitzenden Frau" von Henri Matisse handelt es sich ganz klar um Raubkunst. Der Bild wurde dem jüdischen Kunstsammler Paul Rosenberg von den Nationalsozialisten geraubt.
Es dauerte aber noch ein quälendes Jahr, bis die Erben das wertvolle Ölgemälde wieder in ihren Händen halten konnten. Am Freitag war es so weit. "Die vergangenen 18 Monate waren eine Achterbahnfahrt", sagte Christopher Marinello von der Organisation Artrecovery, der die Rosenbergs in der Sache vertritt. "Wir hatten nicht erwartet, dass es so lange dauert."
Die Nazis hatten das wertvolle Gemälde in Paris geraubt. Es befand sich im Besitz von Hermann Göring, bevor es später über Umwege in die Sammlung Gurlitt gelangte. Wie genau, ist unklar. "Der Weg des Gemäldes nach 1942 ist nur bruchstückhaft belegt", heißt im Abschlussbericht.

"Musizierendes Paar" von Carl Spitzweg gehörte zu den verschollenen Bildern.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Bild wurde - zusammen mit Hunderten anderen - im Jahr 2012 in der Wohnung von Cornelius Gurlitt in München-Schwabing beschlagnahmt. "Ungerahmt und ohne Keilrahmen", wie es in dem Bericht heißt. Es müsse jetzt erstmal gründlich gereinigt werden, sagte Marinello. Bis zum Bekanntwerden des Kunstfundes hatte die Familie Rosenberg schon jahrzehntelang danach gesucht. Das Bild war in die Online-Datenbank "Lostart" zur Suche nach verlorenen Kunstgegenständen eingestellt.
Verzögerungen durch Gurlitt-Tod
Schon Anfang 2014 hatte alles so ausgesehen, als seien Rosenbergs Erbinnen, Elaine Rosenberg aus New York und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, am Ziel. Nach Angaben von Gurlitts Anwälten war eine Übergabe des Bildes ausgehandelt. Doch am 6. Mai 2014 starb Gurlitt. Unter anderem weil seine Cousine Uta Werner sein Testament und die darin festgehaltene alleinige Erbschaft des Kunstmuseums Bern anzweifelte, verzögerte sich die Übergabe um weitere Monate.
Gurlitt, der Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem der vier Kunsthändler Adolf Hitlers, hatte sich kurz vor seinem Tode bereiterklärt, die Washingtoner Prinzipien anzuerkennen. Das heißt, dass er von den Nazis geraubte Bilder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgeben wollte. "Diese Verpflichtung bindet auch seine Erben", sagte kurz nach seinem Tod die Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel. Doch das alles dauerte.
Untersuchungen dauern an
Die Rückgabe des wohl bekanntesten Bildes aus der Sammlung dürfte auch die Hoffnung der rechtmäßigen Besitzer anderer Raubkunst-Bilder aus der Sammlung Gurlitt nähren. Die Herausgabe des Bildes "Zwei Reiter am Strand" von Max Liebermann hat das Amtsgericht München als zuständiges Nachlassgericht genehmigt. Und noch bei zwei weiteren Werken bestätigte die Taskforce bislang den Verdacht auf Nazi-Raubkunst: Carl Spitzwegs "Das musizierende Paar" und "La Seine vue du Pont-Neuf, au fond le Louvre" von Camille Pissarro.
Bei Hunderten anderen Bildern dauern die Untersuchungen noch an. Marinello und die Familie Rosenberg hoffen auf eine positive Signalwirkung durch die Rückgabe der "Sitzenden Frau". Aus dem Fall Gurlitt sei viel zu lernen. "Ich denke, es muss eine Balance geben zwischen der Bürokratie und den Ansprüchen der rechtmäßigen Besitzer", sagte Marinello. "Wir haben es hier mit Menschen zu tun, und zwar mit Menschen, von denen einige schon sehr alt sind."
Quelle: ntv.de, Britta Schultejans, dpa