Freunde fürs Leben? So fühlen sich Freundschaften (wieder) intensiver an


Von einer Handvoll wirklich enger Freunde träumen viele. Doch wie findet man diese Menschen?
(Foto: picture-alliance / Entertainment Pictures)
Freundschaften sind oft das Erste, was zwischen Kinderbetreuung, Partnerschaft und Karriere auf der Strecke bleibt. Dabei vermissen immer mehr Menschen vertraute Freunde. Psychotherapeut Wolfgang Krüger erklärt, wie man echte Freundschaften aufbaut, pflegt und manchmal auch wiederbelebt.
"Über 60 Prozent der Menschen haben das Gefühl, dass sich ihre Freundschaften nicht mehr so intensiv anfühlen", sagt Psychotherapeut Wolfgang Krüger im Gespräch mit ntv.de über seine eigene Forschung. Seine Erfahrung deckt sich mit der Studienlage. In einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach gab schon 2014 rund die Hälfte der Befragten an, dass sie sich tiefere Freundschaften wünschen würde. Durch die Pandemie hat sich die Lage noch verschärft.
Vor allem in der Mitte des Lebens sei das Empfinden so. "Wenn Sie zwischen 35 und 40 sind und Kinder haben, ein Haus bauen, Karriere machen und eine Partnerschaft haben, dann fallen Freundschaften hinten runter", erklärt Krüger. Die Pflege von Freundschaften sei zeitintensiv, das schaffen viele nicht mehr.
"In vielen Fällen ist es so, dass wir Freundschaften eher pflegen, wenn es dafür einen Anlass gibt", erklärt der Psychotherapeut. "Wenn Freunde Geburtstag haben oder ich Hilfe brauche." Im Alltag finden diese Freundschaften kaum statt und geben uns auch nicht das innige Gefühl der Verbundenheit, das sich viele wünschen.
Was tiefe Freundschaften ausmacht
Für das Gefühl einer intensiven Freundschaft braucht es ehrliches Interesse am anderen und im Gegenzug Offenheit. "Denn für tiefe Verbundenheit muss man viel von sich preisgeben und sich beim anderen dafür interessieren", sagt Krüger. Auch die Fähigkeit, einander zu unterstützen und zu vertrauen, sei unerlässlich.
Trotz eines großen sozialen Umfeldes haben die meisten Menschen nur etwa drei sogenannte Herzensfreunde. "Es dauert oft Jahre, jemanden zu finden, der uns so nahesteht, dass ich dem alles erzählen würde", sagt der Wissenschaftler. Alle zwei Wochen müsse man mindestens Kontakt haben und auch die ganz intimen Sorgen miteinander teilen. Wem erzähle ich von der schwierigen Beziehung zu meiner Mutter? Wem von meinen Eheproblemen? Und wem würde ich von dem Millionengewinn im Lotto erzählen, ohne dass er etwas abhaben will? Diese Fragen definieren laut Krüger die Herzensfreunde.
Hinzu kommen noch etwa 12 bis 15 Alltagsfreunde, die uns begleiten. "Alles, was darüber hinaus geht, ist eigentlich eine Großgruppe und da steht man nicht so intensiv in Kontakt", sagt Krüger. "Mehr Freundschaften kriegt man nicht zustande."
Gemeinsam nicht mehr einsam
Doch es gibt laut Krüger Möglichkeiten, bestehende Freundschaften wieder zu intensivieren. Nicht immer muss es ein Anruf oder eine Nachricht mit der Frage nach dem gegenseitigen Empfinden sein. "Ich selbst habe zum Beispiel einen Kinokreis gegründet, wo ich verschiedene Freunde einlade, wir zusammen ins Kino gehen und im Anschluss über den Film reden", erzählt er. Das schafft gemeinsame Erlebnisse und eine Pause von den Themen des Alltags.
Auch eine regelmäßige Einladung zum gemeinsamen Gartenfest erhält die Freundschaft. "Jeder bringt etwas mit und wir gucken, was sich ergibt", sagt Krüger. "Manchmal wird zusammen Musik gemacht, manchmal gibt es Gespräche, manchmal wird zusammen gesungen." Nach zwei Stunden ist Schluss und jeder hatte das Gefühl, auftanken zu können. Diese Treffen seien zudem effektiv, da man verschiedene Freunde gleichzeitig einladen kann.
Manche Freunde kommen, andere gehen
Nicht immer bleibt der Kontakt zu Freunden gleich intensiv. Es sei normal, dass Freundschaften auch mal durch eine Phase mit weniger Kontakt gehen. Krüger empfiehlt dann, Bilanz über die eigenen Freundschaften zu ziehen. "Ich muss mir gelegentlich Zeit nehmen, mit Freunden auch über die Freundschaft selbst zu sprechen", so Krüger. "Freundschaft wird häufig nur als kleine Schwester der Liebe gesehen und wird unterschätzt." Was wir regelmäßig in Liebesbeziehungen machen, sollten wir also auch in Freundschaften anwenden.
Aber nicht jede Freundschaft begleitet uns ein Leben lang. Manche Menschen entfernen sich – oft in stillem, beiderseitigem Einverständnis. Manchmal sei es auch wie ein Frühjahrsputz im eigenen Freundeskreis. Einen klaren Cut empfiehlt Krüger allerdings nicht: "Das hat den Vorteil, dass man sich nicht aus dem Weg gehen muss, wenn man sich doch noch mal auf einer Beerdigung oder Hochzeit sieht."
Und es lässt Raum für neue Freunde. Die zu finden sei banaler, als es viele glauben. "Uns fehlt oftmals die Leichtigkeit, auf andere zuzugehen", sagt Krüger. Die innere Haltung müsse man anpassen. "Ich muss von mir überzeugt sein", erklärt der Psychotherapeut. Dann reiche eine Smalltalk-Frage als Einstieg und nach einigen Minuten sei man schon beim Kennenlernen über Job, Familie oder Urlaub angekommen. Ist dann Interesse da, sollte man aktiv Kontaktdaten austauschen. "Ich mache meistens die Erfahrung, dass man da offene Türen einrennt", sagt Krüger. Denn Freunde hat schließlich jeder gerne.
Quelle: ntv.de