Panorama

Macht der Mafia ist ungebrochen Messina Denaro wurde vom Krebs zur Strecke gebracht

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Nach 30 Jahren auf der Flucht gelingt es den italienischen Behörden, den Mafia-Boss Matteo Messina Denaro festzunehmen. Bei aller Freude über den Coup der Carabinieri gerät die lange Zeit fast aus dem Blick, in der Denaro wie vom Erdboden verschluckt schien.

30 Jahre Dienst als Mafia-Boss sind für Matteo Messina Denaro zu Ende gegangen. Der direkte Nachfolger des anderen großen Bosses, Toto Riina, wurde in Palermo gefangen genommen. Damit ereilte ihn das gleiche Schicksal wie seinen Vorgänger.

Drei Jahrzehnte lang war er der Superboss der ehrenwerten Gesellschaft der sizilianischen Mafia, die sich selber gar nicht "Cosa Nostra" nennt, sondern ganz einfach "die Organisation". Es gab immer Gerüchte, Messina Denaro sei "wohl ins Ausland gegangen". Die streute zu Lebzeiten auch der inhaftierte Riina im Gefängnis, wohl wissend, dass er in allen Gefängnisräumen abgehört wurde. Seine Worte waren jedoch nur ein Ablenkungsmanöver und halfen dem Mythos vom nicht fassbaren Superboss.

Messina Denaro galt als unauffindbar. Er hatte kein Handy, keinen Computer, nichts, was ihn im Internet verraten konnte. Stattdessen hatte der 60-jährige Boss aus Castelvetrano über Jahrzehnte ein sehr einfaches System der Kommunikation mit der "Organisation": über Zettel, auf denen in Codeformulierungen "ein Steak" bestellt wurde, "Glückwünsche" ausgerichtet wurden, dem Onkel das Beste gewünscht wurde. In der Regel waren das in Wirklichkeit Todesurteile oder Anweisungen, an wen Drogen zu liefern seien, oder wie Erpressungsgelder zu verteilen waren.

Im Krankenhaus sicher

Eine ganz besondere Beziehung hatte die Cosa Nostra - wir bleiben beim geläufigen Namen - zum Gesundheitswesen. Das liegt in Italien in der Zuständigkeit der jeweiligen Region und ist ein unerschöpflicher Topf von staatlichen Zuwendungen, die die verschiedenen italienischen Mafiaorganisationen gern anzapfen. So kosten Einwegspritzen in Sizilien mal schnell das Zehnfache im Vergleich zu Bozen. Auch zählt die Historie: Michele Navarra war nicht nur Haus- und Familienarzt in Corleone, jenem Dorf in der ländlichen Region Palermo, dessen Name durch die Mafia-Filmsaga "Der Pate" weltbekannt wurde. Navarra war auch der Boss des örtlichen "mandamento", wie die Basiseinheit der Cosa Nostra heißt. Er begründete die Vorherrschaft der "Corleonesi" in der Cosa Nostra. Wer sich ihm nicht unterordnete, wurde getötet.

Kein Wunder also, dass sich Messina Denaro in einem Krankenhaus von Palermo, dem Day Hospital La Maddalena, sicher fühlte und dort regelmäßig zur Behandlung eines Tumors erschien. Ein Jahr lang hatte er dort immer wieder Termine unter dem Decknamen Bonafede. Und unter Ermittlern ist es ein offenes Geheimnis, dass sich kaum einer der Mafia-Bosse wirklich weit aus den Heimatregionen entfernt.

Natürlich stellt sich die Frage, ob man ihn nicht so eher hätte fangen können. Denn in der Vergangheit gab es durchaus Ermittlungspannen. So ließ man den Boss Bernardo Provenzano einige Male wohl bewusst durch die Kontrollen rutschen, weil man, so rechtfertigten die Carabinieri-Offiziere das damals, seine Mittelsmänner fangen wollte.

Auch wurde bei der Verhaftung von Toto Riina vor 30 Jahren dessen Versteck nicht sofort durchsucht, weil man, das erklärte ein am Einsatz beteiligter Polizei-Offizier in diesen Tagen, seine Hintermänner anlocken wollte. Als man dann das luxuriöse Versteck von Riina ausräumte, war es feinsäuberlich von allen Spuren gereinigt worden. Dumm gelaufen. Aber Korruption oder gar Zusammenarbeit mit der Mafia, wie eine der Anklagen gegen die beteiligten Carabinieri hieß, war es nicht: Die langjährigen Prozesse gegen höchste Offiziere endeten am Ende alle mit Freisprüchen, auch wenn unzweifelhaft festgestellt wurde, dass die Cosa Nostra auch im Polizeiapparat ihre Informanten hatte.

Berüchtigter Mörder

Trotz alledem oder gerade deswegen ist die Verhaftung von Messina Denaro ein großer Erfolg für den italienischen Staat, allein schon wegen der Symbolkraft des Namens. Messina Denaro ist für 20 Morde rechtskräftig verurteilt worden, darunter auch als Drahtzieher für die Bombenanschläge auf die beiden Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino und deren Begleiter 1992.

Aber Messina Denaro wollte nicht mehr weitermachen mit den Bombenanschlägen. Darüber beklagte sich auch der festgenommene Boss Riina. Sein Nachfolger wollte wieder nach dem alten Motto von Cosa Nostra leben: Wenn die Flut über dich kommt, das Knie beugen und dann wieder aufstehen. Unerkannt arbeiten. Tatsächlich erkannte Messina Denaro die Zeichen der Zeit. Er investierte massiv in Windräder, ließ sie überall aufstellen - auch da, wo kaum Wind weht. Um erneuerbare Energien ging es ihm weniger, umso mehr um die Subventionen bei deren Bau. Das hat den Bau von Windkraftanlagen in Italiens Süden leider etwas in Verruf gebracht.

Immer wieder war Messina Denaro den Fänger-Einheiten der Carabinieri entgangen. Das kann man durchaus als Beweis für die anhaltende Stärke der Cosa Nostra werten, die sich auch heute noch auf eine breite Zustimmung, Tausende von Zuträgern und stille Mitarbeiter stützen kann. Warum? Einfach, weil sie viel Geld zu verteilen hat. Die Macht der Cosa Nostra ist immer noch intakt.

Am Ende hat den Mafia-Boss der Krebs zur Strecke gebracht. Mit der Krankheit war die Notwendigkeit verbunden, sich regelmäßig an einem Ort zu einer bestimmten Stunde einzufinden. Das Gegenteil jeder Überlebensregel im Untergrund - und am Ende sein Verderben.

Quelle: ntv.de

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