Wut über eigene familiäre Lage?Motiv für Gift-Pausenbrote bleibt nebulös

Über Jahre mischt Klaus O. drei Kollegen Gift in ihre Pausenbrote. Dann schaut er zu, wie es ihnen langsam immer schlechter geht. Experten rätseln den gesamten Prozess lang über sein Motiv. Nun erwartet der 57-Jährige sein Urteil. Die Anklage fordert lebenslange Haft.
Drei Menschen sind von Klaus O. in Schloß Holte-Stukenbrock über Jahre vergiftet worden und dadurch schwer erkrankt. Nun erwartet der 57-jährige Angeklagte das Urteil vor dem Landgericht Bielefeld. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld sieht es als erwiesen an, dass er in einem Betrieb in Ostwestfalen mit Gift auf Pausenbroten und Getränken gesundheitlich schwer geschädigt hat. Deshalb wird er wegen versuchten Mordes angeklagt.
Doch das Motiv des Täters gibt Gutachtern und Prozessbeobachtern bis zuletzt Rätsel auf. Warum hat er über Jahre dabei zugesehen, wie die betroffenen Männer immer stärker erkrankten und vor seinen Augen große Schmerzen erlitten?
Kurz vor dem Prozessende finden Gutachter doch noch mögliche Hinweise auf die Motive von Klaus 0.: Nach Angaben eines JVA-Psychologen wollte der Angeklagte wie ein Wissenschaftler an seinen Kollegen beobachten, wie das Gift auf ihren Pausenbroten wirken würde. "Seine Äußerungen zu seinem Motiv kamen mir vor wie bei einem Wissenschaftler, der ausprobiert, wie Stoffe wirken bei einem Kaninchen", sagt der Psychologe im Zeugenstand.
Probleme im Privatleben des Angeklagten
Der forensische Psychiater, der vom Gericht verpflichtet wurde, konnte nicht direkt mit Klaus O. reden, weil der das Gespräch verweigerte. Dennoch gab der Experte während des Prozesses einen Einblick in das Leben des Angeklagten. Demnach soll der Mann mit den Vergiftungen an den Kollegen begonnen haben, weil ihn ein unerfüllter Kinderwunsch belastete.
Später bekam der Angeklagte mit seiner Frau nach einer künstlichen Befruchtung ein Kind mit Down-Syndrom. An dieser Stelle sah der Psychiater einen möglichen Zusammenhang mit den Taten: "Parallel zur verzögerten Entwicklung des Kindes gab es einen neuen Schub bei den Vergiftungen. Der Angeklagte stand der Behinderung des eigenen Sohnes hilflos gegenüber", erklärte der Gutachter. Mit Sicherheit könne er diesen Zusammenhang allerdings nicht belegen.
Wie hart das Urteil für Klaus O. ausfällt, hängt davon ab, wie seine psychologische Verfassung vor Gericht eingeschätzt wird. Nach dem Bericht des offiziellen Gutachters sei Klaus O. "psychisch gesund und somit voll schuldfähig". Außerdem habe der Angeklagte, so die Expertenmeinung, eine hohe kriminelle Energie. Er nahm den Tod seiner Opfer in Kauf. Ein Kollege liegt mit einem nicht heilbaren Hirnschaden im Wachkoma, zwei weitere Personen sind schwer nierenkrank.
Die Staatsanwaltschaft forderte nach den Plädoyers einen lebenslange Haftstrafe für versuchten Mord in drei Fällen. Außerdem sprach sie sich für eine anschließende Sicherheitsverwahrung aus. Die Anwälte der drei Nebenkläger schlossen sich der Forderung des Staatsanwalts an. Mit einer Ausnahme: Sie beantragten die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, womit eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen ist.