Zündete Polizei Asylbewerber an? Neue Ermittlungen im Fall Oury Jalloh
07.12.2017, 18:24 Uhr
(Foto: dpa)
Ein Staatsanwalt stellt die Vermutung auf, der in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte Asylbewerber Jalloh könnte von Polizisten in Brand gesteckt worden sein - zur Vertuschung unterlassener Hilfeleistung. Nun ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft.
Hat sich der gefesselte Asylbewerber Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle selbst angezündet oder könnten Polizisten Hand angelegt haben? Knapp 13 Jahre nach dem ungeklärten Feuertod des Mannes aus Sierra Leone sorgen Details aus den Ermittlungsakten für politische und juristische Debatten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg übernimmt nun das Ermittlungsverfahren. Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding von der CDU begründete ihre Weisung mit der unterschiedlichen Bewertung der Todesumstände durch die Staatsanwaltschaften Halle und Dessau-Roßlau.
Um diesen "Konflikt aufzulösen", solle die Generalstaatsanwaltschaft eine Entscheidung treffen, die "nunmehr maßgeblich bestimmt sein wird durch eine eigenständige und gegebenenfalls durch weitere Ermittlungen gestützte Bewertung der Geschehnisse aus dem Jahr 2005", erklärte die Ministerin. Es werde "alles unternommen, was rechtsstaatlich möglich und geboten ist, um die Umstände des Tods von Oury Jalloh aufzuklären", fügte sie hinzu. Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt hatte zuvor einen Untersuchungsausschuss und den Rücktritt von Keding gefordert.
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hatte im vergangenen Jahr der Dessauer Staatsanwaltschaft das Verfahren entzogen und den Fall Jalloh an die Staatsanwaltschaft Halle übertragen. Diese stellte das Ermittlungsverfahren im Oktober ein. Halles leitende Oberstaatsanwältin Heike Geyer begründete dies damit, dass das Verfahren "keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung ergeben" habe.
An der Unfallthese gibt es aber weiterhin massive Zweifel. Auch der langjährige Ermittler der Staatsanwaltschaft Dessau, Folker Bittmann, stellte demnach die Hypothese auf, dass Jalloh angezündet worden sein könnte, und bejahte damit einen Anfangsverdacht. Nach einem Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung" soll Bittmann sogar eine Vertuschungstat durch Polizisten in Betracht gezogen haben - diese hätten damit möglicherweise von dem Asylbewerber zuvor zugefügten Verletzungen ablenken wollen. Demnach könnte Jalloh in einem hilflosen Zustand mit einer geringen Menge Feuerzeugbenzin bespritzt und angezündet worden sein, zitiert die "Mitteldeutsche Zeitung" einen Vermerk.
Beschwerde gegen Einstellung des Verfahrens
Die Frage nach einem Motiv sei offen, heißt es darin weiter. Bittmann führt aber zwei weitere, einige Jahre zurückliegende Todesfälle von Männern an, die in Gewahrsam genommen worden waren. Die Sorge, dass diese Fälle neuerlich untersucht werden könnten, möge zu dem Entschluss geführt haben, "mit der Brandlegung alle Spuren zu verwischen, die den Vorwurf unterlassener Hilfeleistung gegen die diensthabenden Polizeibeamten begründen könnten".
Die Anwältin der Familie Jallohs hatte gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft Halle wollte daher die Akten der Generalstaatsanwaltschaft zur Prüfung vorlegen. Weil Keding zufolge bisher noch keine Begründung der Beschwerdeführerin gegen die Verfahrenseinstellung vorliege, sei dies noch nicht möglich gewesen, weshalb nun die Weisung erfolgte.
Jalloh war am 7. Januar 2005 verbrannt in einer Zelle des Polizeireviers Dessau gefunden worden. Er lag dort an Händen und Füßen gefesselt auf einer Matratze. Das Landgericht Magdeburg verurteilte den damaligen Dienstleiter 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe, weil er Jalloh besser hätte überwachen müssen.
Der Bundesgerichtshof bestätigte 2014 das Urteil, in dem davon ausgegangen wurde, dass der Mann aus Sierra Leone die Matratze selbst angezündet hatte. Dies wird vor allem von einer Jalloh-Gedenkinitiative seit langem bezweifelt.
Quelle: ntv.de, ftü/AFP/dpa