Ganzes Schuljahr verloren PISA-Studie zeigt Corona-Knick - Ergebnisse so schlecht wie nie
05.12.2023, 11:00 Uhr Artikel anhören
71 Prozent der Jugendlichen gaben an, dass in ihrem Schulgebäude wegen der Corona-Krise mehr als drei Monate lang kein Unterricht stattfand. Allerdings kamen nur 64 Prozent der Befragten bis zu diesem Punkt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Alle drei Jahre werden in der PISA-Studie Bildungssysteme anhand der schulischen Leistungen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler verglichen. Wegen der Corona-Pandemie sind es diesmal vier Jahre. Die Ergebnisse sehen Deutschland so schlecht wie nie zuvor.
Nach der Corona-Pandemie fallen die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen in Deutschland beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften im Durchschnitt schlechter aus als 2018. Das ist das Ergebnis der neuen PISA-Studie der OECD, in Berlin vorgestellt wurde. Sie wird seit dem Jahr 2000 alle drei Jahre erhoben, wegen der Corona-Einschränkungen waren die Tests 2021 verschoben worden.
Der OECD zufolge handelt es sich bei den Ergebnissen von 2022 in allen drei Kompetenzbereichen insgesamt um die niedrigsten Werte, die jemals im Rahmen von PISA gemessen wurden. Die Differenz zwischen den Durchschnittsergebnissen von 2018 und 2022 in Mathematik und Lesekompetenz entspricht in etwa dem typischen Lernfortschritt, den Schülerinnen und Schüler im Alter von etwa 15 Jahren während eines ganzen Schuljahrs erzielen.
Als einen Grund sieht die OECD die Folgen der Schulschließungen in der Corona-Pandemie. In Deutschland sei der Distanzunterricht weniger mit digitalen Medien und mehr mit Materialien, die an die Jugendlichen geschickt wurden, bestritten worden als im OECD-Durchschnitt. Der starke Rückgang der mittleren Punktzahlen zwischen 2018 und 2022 bestätigte und verstärkte aber auch einen Trend, der bereits 2012 und 2015 zu sehen war.
In Mathematik stürzten die deutschen Schülerinnen und Schüler besonders ab. Sie erreichten einen Punktwert von 475, bei der vorherigen Untersuchung, die 2019 veröffentlicht wurde, waren es noch 500. Im Lesen kamen sie auf 480 (2019: 498) und in Naturwissenschaften 492 (2019: 503).
Noch nie dagewesener Leistungsabfall
In den drei Jahren von 2018 bis 2022 veränderte sich der Leistungsabstand zwischen den leistungsstärksten Jugendlichen, das sind die 10 Prozent mit den höchsten Punktzahlen, und den leistungsschwächsten 10 Prozent mit den niedrigsten Punktzahlen in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften nicht signifikant. In Mathematik verschlechterten sich die Leistungen der besonders leistungsstarken und der leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler gleichermaßen.
Gegenüber 2012 erhöhte sich der Anteil der Lernenden, deren Leistungen unter dem Grundkompetenzniveau (Stufe 2) lagen, um 12 Prozentpunkte in Mathematik sowie um 11 Prozentpunkte in Lesekompetenz und in Naturwissenschaften. Insgesamt liegen die deutschen Ergebnisse im oder leicht über dem OECD-Durchschnitt, allerdings deutlich hinter führenden Nationen wie Singapur, Japan oder Estland.
Den Expertinnen und Experten zufolge ist jedoch nicht nur die Lage in Deutschland besorgniserregend: In diesem Zyklus habe es einen noch nie dagewesenen Leistungsabfall gegeben, hieß es in dem Bericht. "Im Vergleich zu 2018 sank die durchschnittliche Leistung in den OECD-Ländern um 10 Punkte im Lesen und fast 15 Punkte in Mathematik." Letzteres sei fast das Dreifache aller aufeinanderfolgenden Veränderungen.
Dieser Rückgang ist der OECD zufolge in einer Handvoll von Ländern besonders ausgeprägt - darunter Deutschland. So hätten Polen, Norwegen, Island und Deutschland beispielsweise zwischen 2018 und 2022 einen Rückgang von 25 oder mehr Punkten in Mathematik verzeichnet. "Der dramatische Rückgang der Ergebnisse in Mathe und Lesekompetenz deutet auf einen negativen Schock hin, der viele Länder gleichzeitig betrifft", heißt es in dem Papier.
Zwei Stunden lang Fragen beantwortet
Die Tests für die PISA-Studie finden inzwischen vor allem am Computer statt. Die Schüler müssen sich durch verschiedene Aufgaben klicken. USB-Sticks werden von Testern an Schulen verteilt, wo die Schüler dann am Computer Aufgaben in den Bereichen Lesen, Mathe und Naturwissenschaften lösen. Der Test dauert ungefähr zwei Stunden und besteht hauptsächlich aus Multiple-Choice-Fragen, bei denen die Schüler aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten wählen müssen. Außerdem beantworteten Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern Fragen zum sozioökonomischen Hintergrund, zu Lernzeiten und Lernumfeld, Computernutzung und Unterrichtsgestaltung sowie zu Einstellungen und Erwartungen der Jugendlichen.
An der jüngsten Erhebung im Jahr 2022 nahmen weltweit 81 Länder und mehr als 600.000 Jugendliche teil. Die für Deutschland repräsentative Stichprobe umfasst 6116 Schülerinnen in 257 Schulen, stellvertretend für etwa 681.400 15-Jährige. Das sind schätzungsweise 92 Prozent der Grundgesamtheit der 15-Jährigen.
Quelle: ntv.de, sba