Panorama

Tödlicher MesserangriffPolizist schildert Attacke auf von Weizsäcker

04.06.2020, 16:52 Uhr
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Das Ziel des 57-Jährigen war eigentlich der frühere Bundespräsident, aber weil dieser 2015 verstorben war, habe der Angeklagte seinen Sohn Fritz von Weizsäcker attackiert. (Foto: imago images/Olaf Wagner)

Er kann dem Angreifer zwar das Messer entreißen, aber die Messerattacke auf Fritz von Weizsäcker endet im November 2019 tödlich. Im Mordprozess schildert der zufällig anwesende Polizist als Zeuge, wie er den Angeklagten überwältigte.

Mit einem Messer sticht ein Mann im November 2019 auf den Arzt Fritz von Weizsäcker ein. Ein zufällig anwesender Polizist schreitet ein, kann ihm das Messer abnehmen. Der 34-Jährige hat jetzt im Prozess als Zeuge vor Gericht den Kampf mit dem Angreifer geschildert und wie er ihn schließlich überwältigen konnte.

Die Messerattacke auf Fritz von Weizsäcker, Berliner Arzt und jüngster Sohn des früheren Bundespräsidenten, sorgte für Entsetzen und Fassungslosigkeit weit über die Berliner Stadtgrenzen hinaus. Gegen Ende eines Vortrags des Professors am 19. November 2019 kommt es zu der Tat, die der 57-jährige Angeklagte lange geplant hat und als "Lebensziel" verfolgt habe, wie er vor Gericht später aussagt.

Als der Mann auf von Weizsäcker zustürmt und auf ihn einsticht, ist zufällig auch der 34-jährige Polizist anwesend. Er habe mit der linken Hand in die Klinge des Messers gegriffen, den Griff habe der Angeklagte umklammert, als sie schon auf dem Boden lagen. "Ich hab es ihm abgenommen." Er hätte sonst unzählige Male weiter zugestochen. Er habe Todesangst gehabt, sagte der Polizist. Mit der zerschnittenen Hand sei es ihm dennoch gelungen, mit seinem Handy den Notruf zu wählen. Doch die Verletzung am Hals von Weizsäckers ist zu schwer, sodass der Berliner Arzt noch im Vortragsraum der Schlosspark-Klinik Berlin stirbt.

Angeklagter zeigt keine Reue vor Gericht

Sieben Zeugen werden am dritten Prozesstag gehört. Ein Polizist, der zum Tatort eilte, sagt, der Angeklagte habe seelenruhig zugesehen, wie Helfer versuchten, von Weizsäcker zu reanimieren. Bei einem anderen Beamten hat sich diese Äußerung des Angeklagten vor dem Abführen eingebrannt: "Schaffe ich es oder bin ich ein Versager?"

Der mutmaßliche Mörder aus Andernach in Rheinland-Pfalz hat die Attacke im Prozess gestanden, aber keine Reue gezeigt. "Ich bin froh, dass er tot ist. Für mich war es notwendig", las der 57-Jährige vor rund einer Woche sein Geständnis vor. Er bezeichnete sich selbst als Zwangsneurotiker, Ex-Nazi und verkrachte Existenz.

Dem 57-Jährigen werden Mord an Weizsäcker sowie versuchter Mord an dem Polizisten zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft nimmt Hass auf die Familie von Weizsäcker als Tatmotiv an, insbesondere auf den früheren Bundespräsidenten. Im Prozess wird auch die Schuldfähigkeit des Angeklagten geprüft. An diesem Prozesstag unterbricht er mehrmals aus seiner Panzerglasbox heraus aufgebracht die Aussage des Polizisten. "So viel Lügen", schreit der schmächtige Mann. Beatrice von Weizsäcker, die Schwester des Getöteten, die wie der Polizist zu vier Nebenklägern gehört, sitzt ihm gegenüber. Mehrmals hält sie kurz die Hände vors Gesicht, als damalige Zuhörer des Weizsäcker-Vortrags Details des blutigen Abends nennen. Eine 59-Jährige berichtet, wie der Professor zusammenbrach, der "Retter" den Angreifer packte, dieser weiter zustach und Blut strömte. "Es ging alles ganz, ganz schnell."

Ehrenzeichen für Polizisten für mutigen Einsatz

Der Kriminalbeamte, der auch Nebenkläger im Prozess ist, wurde an den Händen, im Oberkörper sowie am Hals schwer verletzt. "Seit dem Geschehen bin ich im Angstmodus." Erst seit dieser Woche sei er wieder im Dienst. Die letzten Monate seien eine schwierige Zeit gewesen. "Ich dachte wirklich, dass ich sterbe." Nachdem er den Täter überwältigt hatte, habe dieser ihn mit emotionslosem Blick immer wieder gefragt, ob er sauer auf ihn sei.

Der Beamte wurde von Berlins Innensenator Andreas Geisel für sein Eingreifen mit einem Ehrenzeichen gewürdigt. In einem Ende Dezember veröffentlichten Brief schrieb der verletzte Polizist, es sei Aufgabe der Polizei, das Leben mit allen Mitteln zu schützen. Über den Tod von Weizsäckers empfinde er "tiefen seelischen Schmerz". Fritz von Weizsäcker hat seine letzte Ruhestätte auf dem Waldfriedhof im Ortsteil Dahlem neben seinem Vater gefunden, der 2015 im Alter von 94 Jahren starb.

Quelle: ntv.de, joh/dpa

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