Lage auf der Insel sonst ruhig Punks feiern auf Sylt mit Sternburg und Gummieinhorn
04.06.2022, 18:53 Uhr
Statt Gucci, Gold und Champagner sind bei diesen Syltbesuchern Lederjacken, Piercings und Bier angesagt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Sylt, die Insel der Schönen und Reichen - zumindest normalerweise. Denn an diesem Pfingstwochenende wirkt die Promenade der Urlaubsinsel eher wie ein Punk-Festival. Dutzende Linksalternative sind aus ganz Deutschland angereist. Die Stimmung ist ausgelassen, das befürchtete Chaos bleibt bislang aus.
Auf Sylt bietet sich Besuchern und Anwohner derzeit ein eher ungewohntes Bild: In Westerland, wo sonst Frauen mit Designer-Handtaschen und Männer in eleganten Anzügen flanieren, sitzen jetzt Dutzende Punks, trinken Bier, reichen Schnapsflaschen herum und spielen Flunkyball. Die ungewöhnlichen Gäste für die als snobistisch verschriene Insel haben nicht nur Sternburg-Kästen, Schlafsäcke und Hängematten dabei, sondern auch ein großes aufblasbares Einhorn mit im Gepäck, wie auf Bildern auf Twitter zu sehen ist. Es herrscht Partystimmung. Von Chaos fehlt jede Spur.
Viele Menschen haben am Samstag vor Pfingsten Gebrauch vom 9-Euro-Ticket gemacht. Zu den Lieblingszielen zählten bei oft schönstem Juni-Wetter Orte an Ost- und Nordsee. So trafen auch auf Sylt zahlreiche Touristen und Tagesgäste mit der Bahn ein. Die Züge seien brechend voll, auch die Autozüge ausgebucht, berichtet ein Reporter vor Ort. Viele Bahnreisende seien ausgelassen und hätten Lust zu feiern.
Dennoch sei die Lage auf der beliebten Urlaubsinsel bislang ruhig, sagte ein Polizeisprecher. Auch in der Nacht habe es keine größeren Einsätze gegeben. Die Gruppe von 50 bis 80 Punkern, die schon einige Tage auf der Insel seien, sei mal "ein wenig laut gewesen", aber auch das sei nichts Besonderes.
Erinnerungen an 1995 werden wach
Sie sind wahrscheinliche den Aufrufen linker Gruppen im Netz gefolgt, die Insel mit dem 9-Euro-Ticket zu entern. Die Sylter sollen zuvor Bedenken geäußert haben, dass zu viele Billigtouristen mit dem preiswerten Fahrschein anreisen würden. Dabei hatten die Insulaner eigentlich nur darauf aufmerksam machen wollen, dass die Bahn durch die zusätzlichen Gäste an ihre Kapazitätsgrenze stoßen wird, die Züge dürften noch voller werden als sonst.
Die Aufrufe, Sylt zu zerstören, Sylt zu entern, weckten bei manchen Erinnerungen an 1995, als Autonome dazu aufgerufen hatten, mit dem damals neuen 15-Mark-Wochenend-Ticket der Bahn dorthin zu fahren und "Chaos" zu verbreiten. Mehrere Dutzend Randalierer wurden an einem Wochenende Ende März 1995 am Bahnhof Westerland festgenommen, die zuvor in zwei Zügen der Deutschen Bahn randaliert hatten.
Die Ereignisse von damals scheinen sich heute nicht zu wiederholen. Auch Sylts Bürgermeister Nikolas Häckel betonte, die Situation sei entspannt. Zudem scheinen sich die Sylt-Touristen nur wenig an den bunten Besuchern zu stören. "So lange die hier nichts kaputt machen und nur etwas lauter feiern, finde ich das absolut in Ordnung, dass die hier sind", sagte eine vornehm gekleidete Seniorin dem "Focus". Auch diese jungen Leute hätten zwei Jahre Corona hinter sich. "Und auch sie haben das Recht, für neun Euro mit der Bahn hierherzukommen."
Quelle: ntv.de, hny