Explosionsunglück an der WolgaRussland zählt mehr als 80 Verletzte

In einer Munitionsfabrik in Russland kommt es zu mehreren Detonationen, über der Stadt Dserschinsk steigt eine riesige Rauchwolke auf. Berstende Glasscheiben verletzen zahlreiche Menschen. Rund um das Werk sind einzelne Häuser einsturzgefährdet.
Bei einer Serie an Explosionen in einem Munitionsbetrieb in der russischen Stadt Dserschinsk rund 400 Kilometer östlich von Moskau sind Dutzende Menschen verletzt worden. 85 Menschen, darunter vor allem Werksmitarbeiter und Bewohner benachbarter Häuser, seien in medizinischer Behandlung, teilte das Gesundheitsministerium der Agentur Interfax zufolge mit. Darunter seien vier Schwerverletzte. Insgesamt mussten 16 Menschen im Krankenhaus behandelt werden.
Die Behörden riefen den Ausnahmezustand in der Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern aus. Die Zahl der Verletzten musste in den Stunden nach dem ersten der Donnerschläge mehrfach angehoben werden. Todesopfer sind den Angaben der Behörden zufolge, nicht zu beklagen. Nach Informationen des Gesundheitsministeriums sind unter den Verletzten 39 Fabrikarbeiter und mindestens 46 Einwohner der Stadt. Kinder seien nicht zu Schaden gekommen.
Bei den Verletzungen handelte es sich Angaben örtlicher Gesundheitsbehörden zufolge um Wunden von "geringer und mittlerer Schwere", die vor allem durch Glassplitter berstender Fensterscheiben verursacht worden seien. Die Ursache für die Explosion ist bisher unklar. Allerdings ermittelt ein nationales Komitee wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Produktionsbetrieb. Das Komitee in Moskau schickte erfahrene Kriminalisten zum Unglücksort.
In russischen Medien waren die Bilder einer riesigen Rauchwolke sowie Feuer zu sehen. Die Explosionen geschahen demnach am Samstagvormittag auf dem Gelände des staatlichen Forschungsinstituts "Kristall" - in einer Produktionsstätte, in der unter anderem auch der Sprengstoff TNT hergestellt wird. Die Fabrik beliefert unter anderem auch das russische Militär mit Explosivmitteln für Bomben. Daneben wird in Dserschinsk auch Industriesprengstoff für zivile Zwecke entwickelt. Die Stadt liegt am Ufer der Wolga in der Oblast Nischni Nowgorod.
Fünf Gebäude des Werks seien zerstört und 180 nahegelegene Häuser beschädigt worden, hieß es. Auf Videos mit Tonspur war die schwere Erschütterung zu hören. Anwohner der Stadt wurden aufgerufen, die Fenster geschlossen zu halten. Teils seien auch Fenster umliegender Häuser infolge der Druckwelle geborsten, hieß es. Allerdings betonten die Behörden, dass es keine Gefahr etwa durch eine chemische Rauchwolke gebe. Die Einsatzkräfte verzichteten demnach auch darauf, Häuser zu evakuieren. Am Nachmittag gab es auch Entwarnung. Die Gefahr von Nachexplosionen sei gebannt, hieß es. Das Feuer sei gelöscht. Glutnester seien unter Kontrolle.
Mehr als 300 Einsatzkräfte
Ein Sprecher des örtlichen Katastrophenschutzes sagte Agenturen, es habe eine "technische Explosion" in einer der Werkstätten gegeben. Nach Darstellung des Zivilschutzministeriums stand zeitweilig eine Fläche von 800 Quadratmetern auf dem Werksgelände in Flammen. Das Feuer hatte sich den Angaben zufolge zudem auf 400 Quadratmeter benachbarte Waldfläche ausgebreitet. Mehr als 300 Einsatzkräfte und 50 Fahrzeuge seien an den Aufräumarbeiten beteiligt, berichteten Nachrichtenagenturen.
Ein Vertreter der Fabrik sagte, fünf Menschen hätten in dem Bereich gearbeitet, in dem es zu der Explosion kam. Sie seien wohlbehalten in Sicherheit gebracht worden. Es gab zunächst keine Informationen dazu, wo sich die 38 Verletzten zum Zeitpunkt der Explosion aufhielten. Feuerwehrleute sagten, sie hätten keine Informationen über weitere Personen, die sich noch in der Fabrik befänden.
Sonderstab wurde eingerichtet
Gebietsgouverneur Gleb Nikitin habe einen Sonderstab eingerichtet, meldete Interfax. Er sei auf dem Weg an die Unglücksstelle. Reporter berichteten, die Zufahrt zu dem Rüstungsbetrieb sei gesperrt. Solche für die Sicherheit des Landes bedeutenden Betriebe stehen unter besonderer Kontrolle der russischen Sicherheitsorgane.
In Russland kommt es immer wieder zu verheerenden Unglücken mit vielen Toten und Verletzten. Ursache dafür ist oft, dass elementarste Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten werden. Allein seit 2014 habe es in Russland in Werken für Sprengstoffherstellung fast ein Dutzend ähnlicher Explosionen gegeben, listete die Staatsagentur Tass in einem Dossier auf.
Auch im Rüstungsbetrieb Kristall kam es demnach erst vor zwei Monaten zu einer Explosion. In einem anderem Rüstungsbetrieb der Stadt Dserschinsk starben Ende August 2018 bei einer Explosion fünf Menschen, sechs weitere Mitarbeiter wurden verletzt. Auch damals sollen bei der Herstellung von Munition die Sicherheitsregeln nicht eingehalten worden sein.