Tat bei Telegram angekündigt Schütze von Prag war 24-jähriger Student
22.12.2023, 02:16 Uhr Artikel anhören
Nach dem Schusswaffenangriff eines jungen Mannes in der Prager Innenstadt sind 14 Menschen tot, weitere schweben in Lebensgefahr. Auch der Schütze lebt nicht mehr. Der 24-Jährige hatte mutmaßlich kurz zuvor seinen Vater getötet. Womöglich gehen noch weitere Morde auf sein Konto.
Bei dem schlimmsten Schusswaffenangriff in der Geschichte von Tschechien hat ein 24-jähriger Student an der Prager Karls-Universität 14 Menschen getötet und zahlreiche weitere Menschen verletzt. Auch der Täter ist tot. Ermittler gehen davon aus, dass er sich selbst richtete, eine offizielle Bestätigung gibt es aber noch nicht. Es gebe keine Hinweise auf einen Zusammenhang zum internationalen Terrorismus, teilte Innenminister Vit Rakusan mit. Der Polizei zufolge wurde der Mann bereits vor den Schüssen in Prag gesucht, da sein Vater tot aufgefunden worden war. International rief die Tat Bestürzung hervor. Nach Informationen mehrerer Medien hatte der Schütze seine Tat vorher in einer Telegram-Gruppe angekündigt. Die tschechische Regierung rief für den 23. Dezember einen nationalen Trauertag aus.
"Derzeit kann ich 14 Opfer und 25 Verletzte dieses schrecklichen Verbrechens bestätigen", sagte Polizeichef Martin Vondrasek. Alle Opfer seien innerhalb des Gebäudes getötet worden. Zuvor war von mehr als 15 Todesopfern die Rede gewesen. Zehn Menschen seien schwer oder lebensgefährlich verletzt, hieß es. Medienberichten zufolge waren einige der Opfer Kommilitonen des Täters. Das niederländische Außenministerium erklärte, einer der Verletzten sei ein niederländischer Staatsbürger.
Der Polizeichef sagte, dass der bewaffnete Angreifer über ein "riesiges Waffen- und Munitionsarsenal" verfügt habe. Das schnelle Eingreifen der Polizei habe ein weitaus größeres Blutbad verhindert.
Die Polizei durchsuchte zunächst das Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät, wo der Schütze zu einer Vorlesung erwartet wurde. Er ging jedoch in ein anderes Gebäude der Fakultät in der Nähe und wurde nicht rechtzeitig gefunden. Gegen 15 Uhr habe es erste Informationen über Schüsse gegeben, die schnelle Eingreiftruppe sei innerhalb von zwölf Minuten vor Ort gewesen, sagte Vondrasek. Kurz darauf habe es Informationen über den regungslosen Körper des Schützen gegeben. Vondrasek zufolge wurden bei dem Einsatz keine Beamten verletzt. Die Polizei evakuierte das Gebäude und nutzte eine Konzerthalle auf der anderen Straßenseite als temporären Zufluchtsort für die Evakuierten.
Polizeichef Vondrasek sagte mit Verweis auf eine Untersuchung in Onlinenetzwerken, der Täter habe sich von einem "ähnlichen Fall" in diesem Herbst in Russland inspirieren lassen. Nähere Angaben dazu machte der Beamte nicht. Die "Bild"-Zeitung und andere Medien berichten, der 24-Jährige habe sich in einer Telegram-Gruppe auf den Fall einer 14-Jährigen bezogen, die Anfang Dezember im russischen Brjansk eine Mitschülerin und sich selbst mit einem Jagdgewehr erschossen hatte. Außerdem soll er auf einen Amoklauf in der russischen Großstadt Kazan erwähnt haben. Im Mai 2021 hatte ein 19-Jähriger ein Blutbad an einer Schule angerichtet und neun Menschen getötet.
Studierende klettern aus Fenstern
Die Morde des heutigen Tages sind womöglich nicht die einzigen Taten des 24-Jährigen. Die Polizei geht laut Vondrasek davon aus, dass der Bewaffnete am 15. Dezember auch einen jungen Mann und seine zwei Monate alte Tochter bei einem Spaziergang in einem Wald im Osten von Prag getötet habe.
Tschechischer Präsident bricht Frankreich-Besuch ab
Der tschechische Präsident Petr Pavel sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. Er dankte den Bürgern via X dafür, dass sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte gefolgt seien. Wie das Büro des Staatsoberhaupts mitteilte, brach Pavel seinen derzeitigen Frankreich-Besuch ab, um vorzeitig nach Tschechien zurückzukehren. Es gab auch internationale Reaktionen. So schrieb Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf X: "Der Anschlag mitten in Prag trifft Europa im Herzen. Wir sind in Trauer."
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala brach einen Arbeitsbesuch in Mähren ab. "Aufgrund der tragischen Ereignisse habe ich mein Arbeitsprogramm in Olomouc abgesagt und werde nach Prag zurückkehren", teilte der liberalkonservative Politiker mit. "Ich stehe in Kontakt mit dem Innenminister und der tschechischen Polizei und bitte alle Bürgerinnen und Bürger, die Empfehlungen der Rettungsdienste zu beachten." Am späten Abend sollte die Regierung zu einer Krisensitzung zusammenkommen.
Der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigte sich schockiert. "Das ist eine Tragödie", sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. "Das Schlimmste daran ist, dass diese Dinge nicht zu verhindern sind." Viele dächten, so etwas könne nur in den USA passieren, weil viele dort bewaffnet seien. Es zeige sich, dass dem nicht so sei. Zum Zeitpunkt der Schüsse sei er in seiner Residenz unweit der Universität gewesen. "Die Polizei hat uns eingeschlossen, wir durften das Gelände nicht verlassen", sagte Svoboda.
Das Weiße Haus verurteilte die "sinnlose" Gewalt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, die Nachricht über die tödlichen Schüsse habe ihn zutiefst erschüttert. "Ich bekunde meine Solidarität mit den Opfern, den Verletzten und ihren Angehörigen sowie mit dem tschechischen Volk und den tschechischen Behörden."
Quelle: ntv.de, mpe/ino/dpa