
Plastische Überraschungen sind das Alleinstellungsmerkmal der Art Karlsruhe.
(Foto: Jürgen Rösner)
Warum nach Karlsruhe? Weil dort der Publikumsliebling unter den Kunstmessen stattfindet: die Art Karlsruhe. Zur 21. Ausgabe gibt es unter neuer Führung einige Veränderungen. "Evolution statt Revolution" lautet das Motto. ntv.de hat die neue Doppelspitze getroffen.
Sexyness auf einer Kunstmesse? Ja, das geht. In Karlsruhe schlendert das Publikum durch luftige, mit Tageslicht erhellte Hallen. Dabei tauchen die Betrachter mehr oder weniger tief in Kunstwerke von Picasso und seinen Zeitgenossen über kritische Nachkriegskunst bis in aktuelle Positionen ein. Alles ist geschickt miteinander kombiniert. Zeitgenossen mit Klassikern in den Dialog zu setzen ist en vogue, hier auf der Art Karlsruhe ist es längst gelebte Praxis. Die Sammlerschaft von heute folgt nicht mehr stur einer Kunst-Richtung, sondern will Aufregung, sehen und gesehen werden, einfach eine besondere Spannung.

Ein Duett für die Zukunft: Kunsthistorikerin Olga Blaß und Galerist Kristian Jarmuschek.
(Foto: Jürgen Rösner)
Zwischen der strengen Kojenarchitektur gibt es immer wieder Freiflächen mit großen Skulpturen, die geländeumspannend ein Statement für Bildhauerei setzen. Kontinuität war das Erfolgsrezept, um den Publikumsliebling unter den Kunstmessen in Deutschland zu schaffen. Am 22. Februar geht die Art Karlsruhe zum 21. Mal an den Start. Messedirektor Karl Ewald Schrade beamt 20 Jahre nach der Gründung die Messe mit zweifacher Power in die Zukunft. Er hat das Zepter an Olga Blaß und Kristian Jarmuschek übergeben. Sie wollen die Strahlkraft der Messe über den Südwesten hinaus in die europäische Nachbarregion ziehen und dabei den lokalen Standort nicht aus dem Auge verlieren.
Kommen, sehen, kennenlernen und anfangen zu sammeln ist das, was sich die neue Doppelspitze wünscht. Beide wissen, dass Kennerschaft und Treue der Besucher und der rund 177 Aussteller hoch sind, trotzdem beabsichtigen sie, sich jedes Jahr weiterzuentwickeln. "Immer ein bisschen besser werden", wie es Blaß formuliert. Beide setzen auf "Evolution statt Revolution". Erster Schritt: Sie schaffen mehr Übersichtlichkeit für ihre Besucher, haben sich fokussiert und den Einstieg in die Messe verändert: "Der Gang durch 120 Jahre Kunstgeschichte beginnt in diesem Jahr bereits in der Halle 1, das hat museale Qualität", sagt Jarmuschek. Ebenso hochkarätig gehe es in Halle 2 mit der Nachkriegsmoderne weiter. "Das Publikum trifft selbst die Entscheidung, ob es den Rundlauf mit der klassischen Moderne zu den Zeitgenossen beginnt oder andersherum", ergänzt Blaß.
Gemeinsam und doch individuell
Sie verstehen sich als Team, stehen auf allen Kanälen permanent im Austausch. "Wir sehen uns tagelang in Videokonferenzen", sagt Blaß. Sie ist vor Ort in Karlsruhe, während ihr Counterpart meist in Berlin arbeitet. Die studierte Kunsthistorikerin kennt die DNA und Historie der Art Karlsruhe aus dem Effeff. "Ich habe hier 2011 nach dem Studium angefangen, zunächst als Assistentin, später als Projektleiterin. Ich wusste damals nicht sofort, wohin die Reise geht, aber die Messe ist zu meinem Herzensprojekt geworden." Die habe sich immer gut weiterentwickelt. Dass sie nun aber die Zukunft mitgestalten könne, sei für sie ein großer Meilenstein. Mit ihrem neuen Partner ist sie gemeinsam verantwortlich, aber beide haben eine eigene Perspektive.
Kristian Jarmuschek gibt als künstlerischer Leiter die Impulse von außen. Das könnte gelingen, er ist ziemlich umtriebig und hervorragend vernetzt. Der Kunsthistoriker hat 2004 seine eigene Galerie in Berlin gegründet, ist Mitbegründer der "Positions", einem beliebten Messeformat in Berlin. Seit 2013 schließlich bekleidet er den Vorsitz des BDVG, des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler. Jarmuschek erinnert sich, dass er sich anfangs nicht traute, selbst als Aussteller in Karlsruhe zu agieren. "Ich dachte, wir als junge Galerie haben mit unserer Kunst keinen Platz zwischen Klassikern und Nachkriegsmoderne." Die Erinnerung an dieses Gefühl ist einer der Gründe, eine neue Sektion ins Leben zu rufen: Gemeinsam mit Olga Blaß setzt er stark auf Nachwuchsförderung. Junge Galerien, die maximal drei Jahre im Markt sind, können im Newcomer-Bereich ihre Marktchancen in der Region testen.
Der Markt entscheidet, was gefällt

Nicht alles, was gezeigt wird, schreibt Kunstgeschichte. Am Ende entscheidet das Publikum, ob es kauft oder nicht.
(Foto: Jürgen Rösner)
Niederschwelligkeit ist wichtig, damit liegt das Führungsduo ganz auf der Linie des Messegründers Schrade. Denn auch der befand einst, nicht der Messedirektor entscheide, was dem Markt an Kunst gefalle, sondern eben der Markt selbst. Wenn Neugierigen, Käufern und Sammlern nur 20 Prozent der gezeigten Malereien, Skulpturen oder Fotografien auf einer Messe gefallen, reiche das aus, sagt Kristian Jarmuschek. "Für mich ist die Messe ein Ort, an dem es um Überblick und Geschmacksbildung geht und viele unterschiedliche Galerien mit ihren besonderen künstlerischen Programmen sichtbar werden. Bei uns wird ein offenes Verständnis vom Kunstmarkt ohne Attitüde repräsentiert." Offenheit sei Priorität, das Angebot vielfältig, um nicht zu sagen divers. Und das funktioniere nicht über Ausgrenzung oder Elitenbildung, sondern Neugierde.
Um die Zukunft der Messe weiterzuführen, schauen sie bei der Auswahl der Kunst dennoch genau hin. "Wir haben uns gefragt, wie sich der Markt nach 20 Jahren und das Bedürfnis der Besucher verändert hat", sagt Olga Blaß. Sie überlegten sehr genau, was passieren müsse, um den Charakter und die Qualität der Messe zu bewahren und was sie anpassen müssen. Ein frisches Angebot schaffen die neuen Messechefs mit dem erstmalig stattfindenden Academy Square. Hier bekommen Absolventen der Kunstakademien in Karlsruhe und Stuttgart eine Chance und können ihre Kunst zeigen. So wollen sie von einer Jury ausgewählte junge Talente beim Einstieg in den Markt unterstützen und sie sichtbarer machen - für Sammler und Aussteller.
Da will ich hin
Noch mal zum Thema "Besserwerden": "Das ist ein Prozess“, erläutert Blaß, "den wir schon lange verfolgen. Die Art Karlsruhe hat nie gescheut, mit Besuchern zu sprechen und Aussteller detailliert zu befragen. So eine Befragung mag langweilig erscheinen, aber wir haben die Bögen immer sehr genau ausgewertet und hinterfragt, was geändert werden kann oder muss." Natürlich sei es auch für sie ein Experiment, so Jarmuschek, ein bestimmtes Niveau und gleichzeitig eine breite Auswahl zu bieten. Am Ende zählt für das Karlsruhe-Tandem, dass Menschen sagen: "Das ist unsere Art, da will ich hin."

Im Skulpturengarten vor den Messehallen wird bildhauerische Kunst im Grünen entspannt in Szene gesetzt.
(Foto: Jürgen Rösner)
Noch einen Grund mehr für einen Besuch bietet übrigens Karlsruhe selbst. Die Stadt hat von jeher ein breit gefächertes Angebot an viel beachteten Museen und Kulturinstitutionen. Dazu kommt eine sehr aktive, freie Kunstszene mit vielen Ateliers, die außerhalb der Stadt bislang nicht so wahrgenommen wird. Deshalb wird die Art Karlsruhe in diesem Jahr noch stärker mit Museen und Institutionen gemeinsame Sache machen. Kristian Jarmuscheks Empfehlung für alle Kunst- und Feierwütigen ist die "After Art Party" am Samstag und das tägliche "Artini", ein "absoluter Geheimtipp jenseits der Messe", da gehe er in jedem Fall auch hin. So kommt die Kunst und die Messe abends in die Stadt. Olga Blaß empfiehlt "Die lange Nacht der Off-Spaces" - auch da wird einiges an Überraschungen geboten.
Zum Podcast und allen Informationen rund um die Art Karlsruhe (22.-25. Februar) hier.
Quelle: ntv.de