Operation hätte nichts geändert Tuğçe starb an einer Hirnblutung
03.06.2015, 17:17 Uhr
(Foto: dpa)
Die Studentin Tuğçe Albayrak ist einem Rechtsmediziner zufolge an einer Hirnblutung gestorben. Selbst eine Notoperation hätte sie nicht retten können. Allerdings könnte Tuğçe einen kurzen Blackout gehabt haben - ausgelöst durch die Ohrfeige des Angeklagten.
Die Studentin Tuğçe ist nach Angaben eines Rechtsmediziners an einer Hirnblutung gestorben, die durch den harten Aufschlag ihres Kopfes auf den Boden ausgelöst wurde. Auch eine rasche Operation hätte die 22-Jährige nicht retten können, sagte der Gutachter Marcel Verhoff, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Uni-Klinik Frankfurt, vor dem Landgericht Darmstadt.
Der angeklagte Sanel M. hatte in dem Prozess zugegeben, der jungen Frau im November 2014 vor einem Schnellrestaurant in Offenbach eine Ohrfeige gegeben zu haben, so dass sie stürzte, mit dem Kopf aufschlug und später starb. Der Experte sagte dazu, eine Ohrfeige könne einen kurzen Blackout ausgelöst haben, so dass Tuğçe möglicherweise ohne Abwehrreaktion hingefallen sei. "Grundsätzlich ist eine Ohrfeige dazu in der Lage, wenn sie fest geschlagen ist."
Ein "Unglückstreffer"
Tödlich sei aber der Sturz auf die linke Kopfhälfte gewesen. Die Ohrfeige bekam Tuğçe auf die rechte Seite. Durch den Sturz sei ein Blutgefäß des Haupthirns gerissen. Ein Schlag könnte eine solche Verletzung nicht verursachen. "Sie bekam den Schlag auf die rechte Seite und fiel auf die linke. Die Gewalteinwirkung auf die linke Seite führte zur Hirnblutung und war die tödliche Verletzung. Eine schnellere Intubation oder Operation hätte Tuğçe nicht gerettet", zitiert die "Bild"-Zeitung den Mediziner. Er fügte demnach hinzu: "Den Schlag kann man als Unglückstreffer bezeichnen."
Nach Darstellung Verhoffs muss die Studentin beim Aufprall auf einen Gegenstand aufgeschlagen sein. Dabei könnte es sich um einen Ohrring gehandelt haben. "Es hat sich eine drei Zentimeter lange Kante in den Kopf hineingebohrt, wo der Schädel dünn ist", sagte der Professor. "Der Ohrring hat eine solche Kante." Dies habe nicht zu der Hirnblutung geführt, war allerdings offenbar der Grund für den Schädelbruch, der bei der Studentin festgestellt wurde.
Laut "Bild" waren sowohl Tuğçe als auch Sanel M. leicht alkoholisiert. Sanel hatte 0,86 Promille Alkohol im Blut, Tuğçe 0,61 Promille.
Sanel M. machte seit Jahren Probleme
Der Prozess in Darmstadt steuert auf sein Ende zu: Übernächste Woche soll das Urteil fallen. Der Vorsitzende Richter schloss die Beweisaufnahme zwar noch nicht. Da aber nichts mehr offen sei, solle beim nächsten Termin am 12. Juni plädiert werden. Das Urteil könnte dann am 16. Juni folgen.
Offen ist, ob Sanel M. nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes Offenbach berichtete vom schulischen Werdegang des Angeklagten und schwierigen Verhältnissen in seinem Elternhaus. Sanel M. sei vom Vater geschlagen worden. Die Eltern hätten sich Rat geholt, weil der Sohn Probleme gemacht habe. Lehrern gegenüber sei er respektlos gewesen. Sanel M. beendete die Hauptschule mit Abschluss.
Zur Überraschung der Kammer wollte der Mitarbeiter keine Einschätzung abgeben, ob Sanel M. in seiner Entwicklung eher als Erwachsener oder als Jugendlicher zu sehen sei. Wenn Sanel M. nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, ist eine Bewährungsstrafe möglich. Der Vertreter des Jugendamtes riet zu einer Therapie. Sanel M. habe mitunter Probleme, Folgen von Gewalt einzuschätzen: "Ich denke, dass er die Opfer-Perspektive nicht besonders gut einnehmen kann."
Die Kammer verlas am achten Prozesstag mehrere Urteile des Amtsgerichts Offenbach aus den zurückliegenden Jahren, in denen Sanel M. strafrechtlich in Erscheinung getreten war, die Richter aber immer wieder auf Besserung hofften. Der Jugendliche erhielt Verwarnungen, Jugendarrest und musste soziale Arbeit leisten. Unter anderem hatte Sanel M. einem Jungen unvermittelt ein erhitztes Feuerzeug in den Nacken gedrückt. Außerdem brach er mit Freunden einen Kiosk auf und nahm anderen Handys ab.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa