Panorama

Corona-Talk bei Anne Will Virus "Angst" könnte noch gefährlicher sein

"Anne Will" nimmt sich der Corona-Krise an.

"Anne Will" nimmt sich der Corona-Krise an.

(Foto: © NDR/Dietmar Gust)

Das Coronavirus erreicht nun auch das Studio von Anne Will, natürlich nicht tatsächlich, sondern als Thema. In der Runde geht es am Sonntagabend vor allem darum, zu erklären, was eigentlich los ist. Mit schlechten Nachrichten für die Fußball-Bundesliga.

Eine Weile wirkte die Aufregung um das Coronavirus fast spielerisch, die Hamsterkäufe machten irgendwie auch Spaß und überhaupt hörte man gelegentlich, dass die "normale" Grippe ja eigentlich viel schlimmer ist als Covid-19. Doch auf der leichten Schulter ist die Epidemie die längste Zeit gewesen. Mittlerweile gibt es den ersten deutschen Virustoten, die Zahl der Infizierten hat die 1000er-Marke überschritten und in Italien wurde der Norden nahezu komplett abgeriegelt. Höchste Zeit, dass sich Anne Will mit dem Thema befasst.

Am meisten aufhorchen ließ zunächst Karl-Josef Laumann, zumindest die Fußball-Fans unter den Zuschauern. Denn der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister kündigte an, dass nun Großveranstaltungen ab 1000 Leute abgesagt werden sollen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte genau das empfohlen, Laumann sagte, daran wolle man sich nun halten. Will hatte den CDU-Mann konkret nach dem für Mittwoch angesetzten Bundesliga-Klassiker Mönchengladbach gegen Köln gefragt, da das Stadion des Heimteams nicht weit vom besonders stark betroffenen Kreis Heinsberg entfernt liegt. Leider wurde Laumann nicht konkreter, er sagte nur, das müssten die Vereine entscheiden. Fordert er ein Geisterspiel? Oder muss die Begegnung verschoben werden? Will hakte nicht nach.

In der Runde kam nicht unbedingt Neues auf den Tisch, aber viele Zusammenhänge und Fakten wurden noch einmal auf den Punkt gebracht. Zum Beispiel, dass das neuartige Coronavirus sehr wohl schlimmer als die handelsübliche Grippe ist. "Wir wissen noch nicht genau, wie tödlich das Virus ist", sagte zwar die Lungenexpertin Susanne Herold, Professorin an der Uni Gießen, doch es deute sich an, dass die Sterblichkeit höher als bei der Grippe sei. Wobei sie die Anwesenden schlucken ließ, als sie sagte, dass bei der Grippewelle 2017/18 rund 25.000 Menschen gestorben seien.

Ende Mai drohen eine Million Infizierte

Die vermutete höhere Sterblichkeit ist aber nur ein Grund, warum die Politik jetzt Druck macht, führte Ranga Yogeshwar aus, Wissenschaftsjournalist des WDR. Ihm ging es um die hohe Ansteckungsgefahr. Er rechnete ganz langsam vor, was es eigentlich heißt, wenn die Zahl der Infektionen sich jede Woche verdoppelt - nächsten Sonntag wären es schon 2000, dann 4000 - und Ende Mai eine Million. "Wenn man nichts macht!", rief er abschließend. Denn genau das passiert ja gerade, die Gesundheitsämter und Ärzte versuchen, Infizierte zu isolieren, die Menschen waschen sich die Hände so häufig wie selten zuvor und alle niesen hoffentlich nur noch in die Armbeuge oder ins Taschentuch, das danach sofort im Müll landet.

Aber wenn tatsächlich eine Million Menschen infiziert sind und nur fünf Prozent davon einen Klinikplatz bräuchten, dann komme das Gesundheitssystem an seine Grenzen. Dann gäbe es nicht mehr genug Kapazitäten, um potenziell Infizierte zu testen, dann gäbe es nicht mehr genug Platz auf den Intensivstationen. Kurzum, das System wäre überfordert. Das ist es jetzt noch nicht, obwohl, wie auch in der Sendung besprochen wurde, man sich mitunter von Pontius zu Pilatus telefonieren muss, um zu erfahren, wie man sich nun testen lassen kann und Schutzkleidung knapp geworden ist.

Davon wusste die Berliner Hausärztin Sybille Katzenstein zu berichten. Sie regte an, dass Verdachtspersonen sich selbst testen sollen, damit sie möglichst niemanden, insbesondere einen Arzt oder Pflegepersonal infizieren. Sie zeigte sich auch ebenso wie Yogeshwar für die Idee offen, "14 Tage Coronaferien" einzulegen, in der Schulen und Kitas und möglicherweise das gesamte Leben stillstehen sollen. Auch ein Fußballspiel müsse dann eben abgesagt werden. "Ich finde unsere Gesellschaft zu individualistisch, dass sie nicht begreift, dass es nicht um Fußballspiele geht, es geht um den Schutz der vulnerablen Leute, der alten und kranken Leute", sagte sie.

Fratzscher fordert Konjunkturpaket

Der Ökonom in der Runde, Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, warnte vor den wirtschaftlichen Folgen. Er forderte ein Konjunkturpaket der Bundesregierung, das aus zwei Säulen bestehen solle: Zum einen eine temporäre Mehrwertsteuersenkung, um den Konsum in Gang zu halten, und zum anderen ein Investitionspaket. Laumann, der auch Arbeitsminister in NRW ist, meinte, das Wichtigste sei nun, dass die Belegschaften beieinander blieben und niemand entlassen würde. Das Kurzarbeitergeld müsse unbürokratischer werden. Ein Konjunkturpaket lehne er ab, weil sich manche Branchen, etwa manche Handwerksberufe oder das Bauwesen kaum vor Aufträgen retten könnten. Hilfen müssten dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt würden.

Der Ernst der Lage wurde deutlich in der Sendung, ebenso, dass es keine einfachen Lösungen geben wird. Zumal mit einem Impfstoff wohl frühestens im nächsten Jahr zu rechnen ist. Es wird weitere Infektionen geben, die entscheidende Frage ist nur wie schnell. Laumann äußerte die Hoffnung, dass das Virus vielleicht im Sommer abflaut, wie andere Viruserkrankungen auch. Aber sicher sei das keineswegs, wie er selbst einräumte. Yogeshwar riet eindringlich dazu, sich nicht verrückt machen zu lassen, die Dinge mit Vernunft und Augenmaß zu betrachten. Denn, so hatte es Laumann zuvor gesagt: Die Virus-Angst könnte letztlich sogar den größeren Schaden anrichten.

Quelle: ntv.de

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