Ernüchternde BilanzWas hat die "Impfwoche" gebracht?

Zum Ende der bundesweiten "Impfwoche" feiert sich die Bundesregierung für mehr als 500.000 durchgeführte Erstimpfungen. Doch die Gesamtbilanz fällt bei einem genaueren Blick auf die Daten recht ernüchternd aus.
Mehr als 83 Millionen Menschen leben in Deutschland. Die meisten davon - mehr als zwei Drittel oder 67,2 Prozent - sind bereits mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft (Stand 20. September). Dabei könnten es deutlich mehr sein: Fast jeder Vierte (24,4 %) im impffähigen Alter hat sich hierzulande noch keine Dosis abgeholt, obwohl genügend Impfstoff da wäre. Bis zum gestrigen Sonntag sollten in Deutschland insgesamt 116.839.725 Dosen ausgeliefert worden sein. Verimpft wurden bisher 105.667.332, was einem Anteil von 90,4 Prozent der verfügbaren Dosen entspricht.
Experten und Politiker zeigen sich zunehmend besorgt über die geringe Quote und die nun schon lang anhaltende Flaute an der Impffront. Schließlich will man möglichst ohne weitere Einschränkungen durch den zweiten Corona-Herbst und -Winter kommen. Mit einer bundesweiten "Impfwoche" wollte die Politik die Impfkampagne noch einmal kräftig ankurbeln. Im Nachhinein wird deutlich: Der Erfolg hält sich in Grenzen.
Die im Hinblick auf die Bevölkerungsimmunität so wichtige Zahl der Erstimpfungen lag in der "Impfwoche" (Kalenderwoche 37) insgesamt sogar niedriger als noch zu Beginn des Jahres. Damals bestimmten die verfügbaren Liefermengen das Impftempo. Heute scheint die geringe Nachfrage in der Bevölkerung das Hauptproblem zu sein. Der Pool der Impfwilligen und -fähigen ist nahezu ausgeschöpft. Um weitere Fortschritte zu erzielen, wird noch viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit nötig sein. Mit einer Ausweitung des Angebots ist es offensichtlich nicht getan, wie die Impfaktionswoche gezeigt hat.
Insgesamt ist der Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung durch die Sonderimpfaktionen um gerade einmal 0,7 Prozentpunkte gestiegen - von 66,5 auf 67,2 Prozent. Damit hebt sich diese Impfwoche im Ergebnis nicht gerade positiv von den vorangegangenen ab.
Bliebe es bei diesem Tempo, würde es noch bis Januar dauern, bis 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft wären. Länder wie Portugal und Spanien sind schon deutlich weiter und haben jetzt schon mehr als 80 beziehungsweise 75 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner vollständig geimpft (zur Infografik "Impfungen weltweit").
Der größte Fortschritt lässt sich nach der bundesweiten Impfwoche in der Altersgruppe der 12 bis 17-Jährigen beobachten. Hier haben bis zum Ende von KW 37 bundesweit insgesamt 39 Prozent mindestens eine erste Dosis erhalten. Vor einer Woche waren es 36,7 Prozent. In der besonders relevanten Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, also der "arbeitenden" Bevölkerung, gab es hingegen nur ein Plus von 0,8 Prozentpunkten. Im Lauf dieser Woche könnte hier aber die 70-Prozent-Marke erreicht werden. Einen vollen Impfschutz hat die überwiegende Mehrheit der mindestens Erstgeimpften aber erst nach Erhalt der zweiten Impfdosis, da lediglich bei Impfungen mit dem Präparat des Herstellers Janssen eine einzige Dosis genügt.
Im Bundesländervergleich stechen die "üblichen Verdächtigen" hervor. Ausgerechnet Impf-Primus Bremen konnte seine ohnehin schon vergleichsweise hohe Quote während der Aktionswoche am deutlichsten steigern (+0,9 Prozentpunkte). Thüringen und Berlin hatten weniger Erfolg: Dort kamen nur 0,5 Prozentpunkte hinzu. Dabei hätten beide Länder durchaus Aufholbedarf, wie das bundesweite Impf-Ranking von ntv.de zeigt.
Weitere Ländervergleiche, Daten und Fakten rund um die deutsche Impfkampagne gegen das Coronavirus finden Sie in unserem Überblicksartikel.
Ob sich Bund und Länder wohl mehr von der Impfwoche erhofft hatten? Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jedenfalls sind gut eine halbe Million frisch Geimpfte eine gute Nachricht. Der Impf-Turbo blieb zwar aus, aber der lang anhaltende Abwärtstrend bei der täglichen Impfleistung konnte immerhin gestoppt werden.
Die Zahl der täglich verabreichten Impfdosen hat sich im Wochenmittel sogar wieder leicht erholt und ist von gut 183.000 auf mehr als 193.000 gestiegen (hier geht's zur Grafik). Dies lässt sich jedoch nicht allein auf die Bemühungen der Länder zurückführen, in Vereinen oder bei Veranstaltungen neue Impflinge zu rekrutieren. Vielmehr macht sich inzwischen auch die Zahl der Auffrischungsimpfungen in der Statistik bemerkbar und hebt den Tagesschnitt an. Allein in der vergangenen Woche erhielten laut den RKI-Angaben mehr als 175.000 vollständig Geimpfte eine Booster-Spritze.
Die Betroffenen sind dadurch zweifellos noch besser vor einer schweren Infektion geschützt. Den Ungeimpften und denen, die nicht geimpft werden können, ist damit jedoch kaum geholfen.