Panorama

80-Prozent-Quote im Blick Portugal und Spanien impfen uns was vor

Trotz der anfangs knappen EU-Bestellungen hat es Portugal zum Impf-Weltmeister gebracht.

Trotz der anfangs knappen EU-Bestellungen hat es Portugal zum Impf-Weltmeister gebracht.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Während es in Deutschland kaum noch vorangeht, laufen die Impfkampagnen in Spanien und vor allem in Portugal auf Hochtouren. Eine Quote über 80 Prozent, von der Deutschland derzeit nur noch träumen kann, ist dort bis Ende Oktober nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.

Im Frühjahr wurde in Deutschland noch wütend gegen Bundesregierung und EU gewettert, weil man weniger Covid-19-Vakzine als Großbritannien, Israel oder die USA bestellt hatte. Es herrschte fast Panik, die Impfstoffe könnten nicht ausreichen und Gesundheitsminister Spahn wurde verspottet, weil er daran festhielt, bis Ende Sommer jedem Erwachsenen ein Impfangebot machen zu können. Jetzt sitzt man in Deutschland auf einem Vakzin-Berg und viele Tausend Dosen werden ungenützt vernichtet, weil ihr Haltbarkeitsdatum abläuft.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Länder nicht mal genügend Vakzin haben, um das Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu impfen, ist die Situation in Deutschland nicht nur blamabel, sondern auch zutiefst beschämend. Dass es in Europa auch anders geht, zeigt unser Nachbarland Dänemark, aber vor allem auch Spanien und Portugal, die bereits sehr hohe Impfquoten erreicht haben und weiter impfen wie die Weltmeister.

Noch im Juli schrieb das RKI im Epidemischen Bulletin, man halte Impfquoten mit einem vollständigen Schutz von 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der über 60-Jährigen "für notwendig und auch erreichbar." Bei rechtzeitigem Erreichen dieser Impfquote scheine eine ausgeprägte vierte Welle im Herbst und Winter "unwahrscheinlich, sofern sich die Bevölkerung zusätzlich zur Impfung weiter an die Basishygienemaßnahmen hält und bei möglicherweise wieder ansteigenden Infektionszahlen Kontakte zu einem gewissen Grad reduziert".

Deutschland meilenweit von Impfzielen entfernt

Obwohl es zu keiner - wie vom RKI noch im Juli befürchtet - Vakzin-Knappheit kam, geht Deutschland mit Zahlen in den Herbst, die meilenweit von den angestrebten Werten entfernt sind. Aktuell sind nur 61,7 Prozent der Gesamtbevölkerung beziehungsweise 69,4 Prozent der über 12-Jährigen geimpft. Bei den 12- bis 17-Jährigen beträgt die Quote 24,2 und bei den 18- bis 59-Jährigen 66,7 Prozent.

Selbst von den besonders vulnerablen über 60-Jährigen sind in Deutschland bisher lediglich 83,2 Prozent vollständig geimpft. Das heißt, fast vier Millionen von ihnen sind noch nicht ausreichend oder gar nicht geschützt.

Die Zahl der täglich verabreichten Impfdosen nimmt stetig ab. Vor allem der Rückgang bei den Erstimpfungen zeigt, dass in Deutschland nicht mehr viel geht, zuletzt bekamen gestern nur rund 99.000 Menschen ihre erste Spritze in den Oberarm, der 7-Tage-Schnitt betrug 183.000 Impfungen.

Spanien zeigt hohe Impfbereitschaft

In Spanien haben aktuell schon 80 Prozent der Erwachsenen den vollen Impfschutz, was 74,3 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zufolge sind dort die über 80-Jährigen zu 100 Prozent durchgeimpft.

Rund 98 Prozent der 70- bis 79-Jährigen sind bereits vollständig geschützt, knapp 99 haben wenigstens eine Dosis erhalten. Und immerhin haben auch schon knapp 93 Prozent der 60- bis 69-Jährigen zwei Spritzen im Oberarm, rund 98 Prozent sind bald so weit.

In den Altersgruppen darunter steigt die Zahl der Erstimpfungen weiter deutlich an, von Impfmüdigkeit kann in Spanien also keine Rede sein. 70 Prozent der 24- bis 49-Jährigen sind durchgeimpft, 81 Prozent haben die erste Spritze erhalten. Bei den 18- bis 24-Jährigen liegen die Quoten bei 70 und 81 Prozent.

Portugal ist Impf-Weltmeister

Noch besser steht Portugal da, das mit 78,3 Prozent vollständig Geimpften bezogen auf die Gesamtbevölkerung die höchste Impfquote der Welt hat. Das entspricht 85,5 Prozent bei den Erwachsenen. Nur bei den Erstimpfungen muss sich das Land den Vereinigten Arabischen Emiraten geschlagen geben, die hier auf 90,1 Prozent kommen. Mit 85,5 Prozent ist aber auch die portugiesische Erstimpfungs-Quote sensationell.

In Portugal sind rund 98 Prozent der über 80-Jährigen vollständig geimpft, bald werden es alle sein, denn die Quote der Erstimpfungen beträgt 100 Prozent. Bei den 70- bis 79-Jährigen ist das Ziel bereits erreicht worden, 95,5 der 60- bis 69-Jährigen haben den vollen Schutz, 100 Prozent die erste Spritze erhalten.

Sogar von den 50- 59-Jährigen sind schon 91,1 Prozent durchgeimpft, 97,9 haben wenigstens die erste Dosis im Oberarm. Und auch die jüngeren Portugiesen sind ganz wild aufs Impfen. 78,5 Prozent der 25- bis 49-Jährigen sind schon durchgeimpft, 91,4 Prozent werden es bald sein. 58,2 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben bereits zwei Dosen erhalten, 86,4 die erste.

Bittere Erfahrungen gemacht

Darüber, warum Spanier und Portugiesen eine so hohe Impfbereitschaft haben, kann nur spekuliert werden, eine Pflicht gibt es dort nicht. Vermutlich spielen die bitteren Erfahrungen, die beide Länder in der Pandemie schon machen mussten, eine wichtige Rolle. In Spanien kollabierte das Gesundheitssystem in der ersten Welle, noch katastrophaler traf es Portugal im vergangenen Winter.

Wichtig ist sicher auch die Abhängigkeit beider Länder vom Tourismus. Das bedeutet, sie haben gegen die hohen Inzidenzen angeimpft, um Touristen nicht zu verängstigen und vor Quarantänemaßnahmen zu bewahren. Gleichzeitig haben sie sich selbst gegen durch Reisende eingeschleppte Infektionen geschützt. Das hat zwar eine Weile gedauert, aber es wirkt.

Spanien hatte Ende Juli noch eine 7-Tage-Inzidenz von über 380 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Jetzt sind es nur noch knapp 78 und die Kurve zeigt weiter steil nach unten. Portugal startete zum gleichen Zeitpunkt bei etwa 225 Fällen und ist aktuell bei 110 angekommen.

Auch eine Kulturfrage

Schließlich kann auch entscheidend sein, wie ein Land eine Impfkampagne gestaltet. In Spanien beispielsweise werden Termine grundsätzlich zentral vergeben. Niemand muss sich selbst darum bemühen, man erhält ein oder zwei Tage davor einen Anruf oder eine SMS.

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Das sei eine gute Strategie der Regierung gewesen, sagte der Madrider Soziologe Josep Lobera dem BR. Er hat eine Studie zum Fortschritt der Impfkampagne in Spanien erstellt. "Die Menschen haben einfach den Erfolg dieses vergleichsweise strengen Verfahrens miterlebt", so Lobera. "Gleichaltrige Freunde oder Nachbarn bekamen etwa zur gleichen Zeit einen Termin, ließen sich impfen, da wollte kaum jemand außen vor bleiben."

Junge Spanier sehen außerdem häufiger ihre Großeltern oder andere ältere Familienmitglieder. Sie fühlten sich für sie verantwortlich, erklärt der Soziologe. Und schließlich habe das Land eine hohe Impfkultur, da man in den 70er Jahren mit Impfungen eine Polio-Epidemie besiegt habe.

Quelle: ntv.de

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