Frau gab entscheidenden HinweisWürth-Entführer redet viel, aber nicht über Tat

Nach mehr als 1000 Tagen Ermittlungen ist sich die Polizei sicher: Sie hat den Mann gefunden, der 2015 den Sohn des Konzernchefs Würth entführte. Der Festgenommene spricht mit den Ermittlern, nur in einem Punkt hüllt er sich in Schweigen.
Einen Tag nach der Festnahme des mutmaßlichen Entführers von Milliardärssohn Markus Würth hat die hessische Polizei erläutert, wie sie auf die Spur des Mannes kam. Den Durchbruch habe der Hinweis einer Frau gebracht, die durch die intensive Öffentlichkeitsfahndung aufmerksam geworden war, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Gießen, Thomas Hauburger, in Fulda.
Bei der Frau hatte der dringend Tatverdächtige als Handwerker gearbeitet. Sie meldete sich bei der Polizei und sagte, dass sie den Mann wiedererkannt habe. Die Polizei hatte seit Monaten unter anderem mit einem Phantombild und einer Tonaufnahme der Erpresseranrufe nach dem oder den Tätern gefahndet. Diese Fahndung wurde 2017 noch einmal verstärkt, nachdem sich mutmaßlich der gleiche Entführer noch einmal an die Familie Würth gewandt und weitere Entführungen angedroht hatte. Diesmal forderte er etwa 70 Millionen Euro in Kryptowährungen.
BKA-Experten und Wissenschaftler hatten die Mitschnitte ebenfalls untersucht und daraus ein Täterprofil entwickelt. Sie folgerten Hauburger zufolge, dass es sich bei dem Anrufer um einen Mann im Alter zwischen 40 und 52 Jahren handeln müsste, der vor 2001 aus Serbien-Montenegro nach Deutschland gekommen ist und lange Jahre in Frankfurt und Offenbach gelebt hat. Besonders prägnant war die Verabschiedung, bei der der Anrufer regelmäßig sagte: "Ich trenne mich."
Mann mit viel Redebedarf
Der nun festgenommene Tatverdächtige ist ein 48-jähriger Serbe, der von Spezialeinheiten der Polizei am Mittwochmorgen in seiner Wohnung in Offenbach festgenommen wurde. Der Polizei zufolge ist er verheiratet, hat zwei Kinder und ist nicht vorbestraft. In einer ersten, beinahe 10 Stunden dauernden Vernehmung, hat der Mann die Vorwürfe "wortreich bestritten". Daniel Muth von der Kriminaldirektion Osthessen sagte, der Festgenommene habe während der Vernehmungszeit "praktisch dauergequatscht".
Unter anderem machte er verschiedene Angaben zu seinem Alibi, die nun überprüft werden. Außerdem wurde ein Laptop und ein Handy beschlagnahmt, von dem sich die Ermittler weitere Informationen erhoffen. Die E-Mails, die der Entführer an die Familie Würth geschickt hatte, waren aufwändig verschlüsselt.
Der Mann soll im Juni 2015 den behinderten Sohn des baden-württembergischen Schrauben-Milliardärs Reinhold Würth entführt haben. Der damals 50-Jährige lebte in einer integrativen Wohngemeinschaft im osthessischen Schlitz. Einen Tag später wurde der Sohn in einem Wald bei Würzburg an einen Baum gekettet gefunden. Er überstand die Entführung unversehrt, zu einer Lösegeld-Übergabe war es nicht gekommen. Völlig unklar ist, welches Motiv es für die Tat gegeben haben könnte und, warum der Entführer sein Opfer schließlich einfach wieder freiließ.