Politik

Die Angst im Nacken Bedroht und verfolgt: Iranische Aktivisten in Deutschland

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Iranische Frauen haben es einfach satt, sich sagen zu lassen, wie sie leben sollen.

Iranische Frauen haben es einfach satt, sich sagen zu lassen, wie sie leben sollen.

(Foto: Arne Bänsch/dpa)

Iranische Aktivisten werden bedroht, angegriffen, ausspioniert, es wird eingebrochen in ihre Wohnungen - das sind Dinge, die passieren. In Deutschland. Unternimmt die Bundesregierung genug zum Schutz der Verfolgten? Menschenrechtsaktivistin Mina Khani erzählt.

Mit Angst im Nacken öffnet Mina Khani Nachrichten auf ihrem Handy. "Ich habe in den letzten Jahren sehr viele Morddrohungen bekommen", erzählt die Menschenrechtsaktivistin an einem Nachmittag im Spätsommer. Khani ist 40 Jahre alt, Iranerin und steht als bekannte Aktivistin in der Öffentlichkeit. Sie klärt über Hinrichtungen in ihrem Heimatland auf und setzt sich für Gefangene ein. Ihre Arbeit gilt als gefährlich und macht sie auch zur Zielscheibe.

Die Augen iranischer Aktivistinnen sind wachsam, nicht erst seit Ausbruch der schweren Proteste im Herbst 2022. Denn: Auch wenn sie in Deutschland leben, fühlen sich einige hier nicht sicher. Sie klagen über Cyberattacken, Spionage und Social Engineering. Dabei versuchen Angreifer, Vertrauen herzustellen, sich etwa als vorgetäuschte Freunde auszugeben. "Ich bekomme das ungefähr seit einem Jahr mit, dass der iranische Staat versucht, mich stummzuschalten. Am Anfang hatten wir noch darüber gelacht, mittlerweile ist es extrem ernst geworden", erzählt die Aktivistin. Im September des vergangenen Jahres hatte der Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini die schwersten Aufstände des Landes seit Jahrzehnten ausgelöst. Die 22-Jährige war ins Koma gefallen und anschließend gestorben, nachdem sie wegen angeblichen Verstoßes gegen die islamische Kleiderordnung von der Sittenpolizei festgenommen worden war. Vor allem die junge Generation ging gegen die repressive Politik auf die Straßen.

Khani lebt seit fast 20 Jahren in Deutschland. Die Iranerin ist feministische Publizistin und glaubt, mit ihrer Arbeit der politischen und geistlichen Staatsführung in Teheran ein Dorn im Auge zu sein. "In meinem Fall waren es mehrfache Versuche von Social Engineering", erzählt die 40-Jährige. "Damit wollen sie an krasse persönliche Informationen kommen - wo du wohnst, was du machst, wie du tickst, mit wem du arbeitest", erklärt die Aktivistin.

Die Bundesregierung kennt die Bedrohung. "Aktuell besteht seitens der iranischen Nachrichtendienste Interesse an der Aufklärung von regimekritischen Demonstrationen in Deutschland und der Identifizierung der jeweiligen Teilnehmenden", teilte das Bundesinnenministerium mit. "Derzeit liegen jedoch keine konkreten Gefährdungshinweise zum Nachteil der iranischen Opposition vor, von einer abstrakten, grundsätzlichen Gefährdung muss jedoch ausgegangen werden."

Charming Kitten

Die Gefahren sind auch dem Verfassungsschutz bewusst, der jüngst einen Warnhinweis zu Cyberspionage gegen Kritiker in Deutschland vorgelegt hatte. Es sei von "konkreten Ausspähversuchen" auszugehen. "Ausspähungsaktivitäten iranischer Nachrichtendienste dienen der Vorbereitung staatsterroristischer Aktivitäten, darunter Entführung oder sogar Tötung der Zielperson", hieß es gar im Jahresbericht 2022. An der Ausforschung von iranischen Oppositionellen und Exil-Iranern soll laut der Sicherheitsbehörde die Hackergruppe "Charming Kitten" beteiligt sein. Hinter dem niedlich anmutenden Namen, der etwa mit "bezauberndes Kätzchen" übersetzt werden kann, steckt Experten zufolge jedoch eine Gruppe, die im Interesse der iranischen Sicherheitsdienste handeln soll. Wenig ist über die Hacker bekannt, die auch Social Engineering anwenden.

Der Politikwissenschaftler und Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad wünscht sich mehr Einsatz der Behörden. Eine Gefahr bestehe außerdem nicht nur für Menschenrechtsaktivisten. "Die Islamische Republik sieht in vielen eine Gefahr: Ob es nun Aktivisten, Journalisten oder - wie in meinem Falle - Wissenschaftler sind, die die Politik des Regimes kritisieren oder einen demokratischen Wandel befürworten", sagt Fathollah-Nejad, der nach eigenen Angaben auch selbst schon zum Opfer von Attacken geworden ist. Viele Aktivisten seien Ziel derartiger Einschüchterungen geworden.

Die oppositionelle Linksfraktion im Bundestag klagt über zu wenig Schutz. Es mangele an konkreten Konzepten für Betroffene, kritisiert etwa die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger. "Die Bundesregierung verweist in den Kompetenzen auf die Länder, und die Länder haben keine adäquaten Antworten, die Betroffenen bleiben dadurch ungeschützt", sagte die Abgeordnete. "Es werden Menschen bedroht und angegriffen, es wird eingebrochen in Wohnungen. Das sind Dinge, die passieren real in Deutschland."

Khani hat mittlerweile einen direkten Kontakt zum Verfassungsschutz. Auch die Berliner Polizei sei bei ihr gewesen und habe mögliche Konzepte zum Schutz ihrer Wohnung vorgelegt, erzählt sie. Trotz möglicher Bedrohung gibt Khani nicht auf. "Dieser Kampf wird nicht nur auf der Straße geführt oder in der Öffentlichkeit, sondern den führe ich auch mit mir selbst. Kraft geben mir die revolutionären Menschen, die ich treffe, die ich sehe, die weitermachen, obwohl es innerlich und äußerlich brennt."

Quelle: ntv.de, Ann-Marie Utz, dpa

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