Jury verhängt Todesurteil Das stille Ende des Boston-Prozesses
16.05.2015, 06:32 Uhr
(Foto: AP)
Dschochar Zarnajew sitzt wie gewohnt ruhig auf seinem Platz, als der Richter ihm mitteilt, dass er sterben soll. Viele Politiker sind in diesem Moment erleichtert, einige Angehörige hadern.
Etwa 14 Stunden Beratungszeit verteilt auf drei Tage brauchten die Geschworenen in Boston, um über das Schicksal des Bombenlegers Dschochar Zarnajew zu entscheiden. Mehr als zwei Jahre nach dessen Terroranschlag auf den traditionsreichen Marathon in der US-Metropole mit drei Toten und 260 Verletzten steht das Strafmaß fest: Zarnajew soll per Giftspritze hingerichtet werden.
Kurz vor der Verkündung ist die Stimmung Berichten aus dem Saal zufolge angespannt. Still kehren Staatsanwälte, Verteidiger und Beobachter an ihre Plätze zurück, als am Nachmittag feststeht, dass die zwölfköpfige Jury ihre Entscheidung gefällt hat. "Das einzige Geräusch ist das Tastaturgeklapper der Journalisten. Unheimlich", twittert ein Reporter des "Boston Globe". Vertreter aller Seiten, die von dem schwersten Anschlag auf US-Boden seit dem 11. September 2001 betroffen sind, nehmen im Saal Platz, darunter auch der zuständige FBI-Agent und die Eltern des achtjährigen Jungen, der bei der Explosion ums Leben kam. Auch Polizeichef Ed Deveau ist da, der keinen Tag des viel beachteten Prozesses verpasste.
Berufungsprozess könnte lange dauern
Zarnajew sitzt wie im Verlauf des gesamten Prozesses ruhig auf seinem Platz, flankiert von seinen Verteidigerinnen Judy Clarke und Miriam Conrad. Der 21-Jährige trägt wie gewohnt ein Hemd mit Kragen und ein dunkles Jackett. Als die Geschworenen den Saal betreten, übergibt eine Jury-Vertreterin dem Gerichtsbediensteten einen Umschlag, der ihn an Richter George O'Toole weiterreicht. Zarnajew steht nun, blickt nach unten und faltet seine Hände. Die Geschworenen scheinen ihn nicht direkt ansehen zu wollen.
Und dann folgt das Strafmaß. Zarnajew soll mit einer Giftspritze hingerichtet werden, weil er zwei Menschen mit der von ihm abgestellten Schnellkochtopf-Bomben tötete. Das dritte Opfer starb durch den Sprengsatz seines älteren Bruders Tamerlan. Die Geschworenen entscheiden sich dagegen, Zarnajew auch wegen der Tötung des Polizisten Sean Colliers zum Tode zu verurteilen, den die Brüder auf ihrer Flucht erschossen hatten. Aber auch schon die Einigkeit der Jury in nur einem von 17 Anklagepunkten, auf denen die Todesstrafe stand, hätte für ein Todesurteil ausgereicht. Insgesamt war der Amerikaner tschetschenischer Abstammung in 30 Punkten angeklagt.
US-Regierung ist zufrieden
Nicht alle in der Stadt atmen nun erleichtert auf. So hatten zum Beispiel die Eltern des getöteten Achtjährigen darauf gedrängt, von einer Hinrichtung Zarnajews abzusehen. Denn nun dürfte ein womöglich jahrelanger Berufungsprozess beginnen, der das blutige Grauen jenes 15. April 2013 immer wieder ins Bewusstsein der Bewohner von Boston rücken wird.
Massachusetts' Gouverneur Charlie Baker sieht das anders: "Ich hoffe, dies entspricht irgendeiner Art von Abschluss für all diejenigen, die von dieser Tragödie betroffen sind." Er habe selbst eine Frau und drei Kinder, sagt der Republikaner, der die Todesstrafe an sich unterstützt und auch im Fall des Boston-Bombers dafür plädierte. "Wenn Sie am falschen Ort zur falschen Zeit am falschen Tag stehen", könnten sich die Dinge auf eine so schreckliche Weise entwickeln, wie man es nie für möglich gehalten habe.
Auch aus Sicht der US-Regierung kehrt nun Gerechtigkeit ein. Der Attentäter habe einen fairen Prozess bekommen, sagt Staatsanwältin Carmen Ortiz. Zarnajew habe "kalt und gefühllos einen Terroranschlag verübt", teilt Justizministerin Loretta Lynch mit. Kein Strafmaß könne das Leid der Opfer lindern. "Aber die höchste Strafe ist eine angemessene Ahndung für dieses schreckliche Verbrechen."
Quelle: ntv.de, Johannes Schmitt-Tegge, dpa