Tausende Fenster und ein Ei Der Europäische Rat zieht in den Glaskasten
03.01.2017, 18:10 Uhr
Der neue Sitz des Europäischen Rats: "Europa".
(Foto: REUTERS)
Steht in Brüssel ein EU-Gipfel an, treffen sich die Staats- und Regierungschefs. Weil es mittlerweile 28 samt ihrer Delegationen sind, erhalten sie einen spektakulären Neubau. Kostenpunkt: 320 Millionen Euro. Fensterputzer wittern ein lukratives Geschäft.
Das Gebäude "Europa" ist ein futuristischer Hingucker aus 3750 holzgerahmten Fenstern, die ein Herz aus Glas einrahmen. Zu Jahresbeginn zieht der Rat der Europäischen Union in den spektakulären Neubau direkt neben seinem bisherigen Sitz. Dort treffen sich die Staats- und Regierungschefs künftig, um ihre Brüsseler Gipfel abzuhalten.

Das Atrium von "Europa". Im "Herzen" sind die Konferenzräume untergebracht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bauherren rühmen sich vor allem der Verschmelzung von Alt und Neu, denn ein Teil des etwa 320 Millionen Euro teuren Gebäudes integriert den dahinter liegenden, teils denkmalgeschützten Résidence Palace aus den 20er Jahren. Dort sind die Büros der Delegationen der 28 Mitgliedstaaten und des Rats-Präsidenten untergebracht.
"Die Geschichte des Gebäudes erlaubt uns in gewissem Maße einen Schritt in die Geschichte Europas", erklärt der belgische Architekt Philippe Samyn, der "Europa" gemeinsam mit Büros aus Italien und Großbritannien entworfen hat.
Auch die transparente Fassade mit den Minifenstern ist symbolisch gemeint. Für die Holzfensterchen wurde Material von abgerissenen Gebäuden in den EU-Mitgliedstaaten recycelt. Das soll nicht nur für Nachhaltigkeit stehen, sondern auch für das Motto der Europäischen Union: In Vielfalt vereint.
Viel zu tun beim Fensterputzen
Doch fällt professionellen Fensterputzern beim Anblick der vielfach unterteilten Front wohl nur ein Wort ein: "oje". Das jedenfalls war der Kommentar von Karl Wachenfeld, Geschäftsführer einer Glasreinigungsfirma in Berlin. Er ist zwar nicht für die Reinigung von "Europa" zuständig, kann sich den Aufwand als Fachmann aber gut vorstellen. Nur für die Außenreinigung dürfte man etwa 240 Stunden benötigen, schätzt der Spezialist. Bei vier Mitarbeitern also ungefähr eineinhalb Wochen.
Im Vergleich zu anderen Glasbauten dauere die Reinigung also zwei bis drei Mal länger, lässt Wachenfeld wissen. Das gehe natürlich ins Geld.
Vom Europäischen Rat heißt es dazu nur, das Haus sei so konzipiert, dass es seltener gereinigt werden müsse. Dafür habe man ein ausgeklügeltes Wasserableitungssystem eingebaut.
Farbenfrohe Vielfalt
Das Innere von "Europa" ist nicht weniger imposant als das repräsentative Äußere. Durch die Fassade schimmert bereits das voluminöse Glasherz, das auch ein riesiges Ei sein könnte. Darin sind untereinander drei unterschiedlich große Konferenzräume eingebaut. Im Größten davon, mit rund 330 Plätzen, sollen die Mächtigen vom Frühjahr an tagen.
Die Konferenzräume sind ungewöhnlich bunt. Decken und Teppiche bestehen aus zahllosen Quadraten in Regenbogenfarben.
Einen Saal für die vielen Journalisten gibt es auch, doch das eigentliche Pressezentrum bleibt im bisherigen Ratsgebäude Justus Lipsius nebenan - so wie die gesamte Verwaltung des Rates. Die beiden Häuser sind mit zwei Brücken verbunden.
"Symbol der Erweiterung"
Doch wieso überhaupt ein neuer Hauptsitz? "Mehr Flexibilität und Effizienz", sagt der Generalsekretär des Rates, Jeppe Tranholm-Mikkelsen. Bei mehr als 6000 unterschiedlichen Treffen im Jahr sei der zusätzliche Platz nötig. Als der aktuelle Sitz 1994 bezogen wurde, habe die EU aus zwölf Mitgliedstaaten bestanden, jetzt sind es 28. Im Rekordjahr 2015 erlebte Brüssel allein zwölf Gipfel. Durchschnittlich sind es acht bis neun pro Jahr.
Das Justus-Lipsius-Gebäude sei für eine derartige Belegung nicht konzipiert worden, sagt Tranholm-Mikkelsen. "Europa" sei deshalb auch eine Art Symbol für die Erweiterung der Europäischen Union.
Die Entscheidung für den Neubau fiel 2004, knapp acht Jahre hat der Bau gedauert. Für einen symbolischen Euro überließ die belgische Regierung das Grundstück dafür der EU.
Quelle: ntv.de, Aleksandra Bakmaz, dpa