"Habe große Lust, sie zu nerven" Empörung über Macrons Aussage zu Ungeimpften
05.01.2022, 15:12 Uhr
In dem Interview sagte Macron auch, er könne sich gut vorstellen, im April zur Wiederwahl anzutreten.
(Foto: imago images/PanoramiC)
Eigentlich soll es im französischen Parlament um ein Gesetz für den Corona-Impfpass gehen. Doch die Debatte muss unterbrochen werden, weil ein Interview mit Emmanuel Macron für heftige Reaktionen in der Opposition sorgt. Grund ist die Ankündigung des Präsidenten, er wolle Ungeimpfte "nerven".
Wenige Monate vor der Präsidentenwahl hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit Äußerungen über Ungeimpfte Empörung bei der Opposition ausgelöst. Das Parlament unterbrach deswegen in der Nacht auf den heutigen Mittwoch eine Debatte über das Gesetz für den geplanten Corona-Impfpass, der für den Zugang etwa zu Zügen und Restaurants erforderlich sein soll. Macron hatte in einem Dienstagabend veröffentlichten Interview der Zeitung "Le Parisien" verschärfte Maßnahmen für Ungeimpfte angekündigt und gesagt: "Ich habe große Lust, sie zu nerven, also werden wir fortfahren, dies bis zum Ende zu tun." Grundsätzlich wolle er die Franzosen nicht nerven, aber die Gruppe derjenigen, die störrisch seien, verkleinere man so.
Die Äußerung überlagerte die Impfpass-Debatte, in der die Opposition mit scharfer Kritik reagierte. "Ein Präsident kann so etwas nicht sagen", sagte der Parteichef der konservativen Republikaner, Christian Jacob. Er sei zwar für den Impfpass, aber er könne keinen Gesetzestext unterstützen, dessen Ziel es sei, die Franzosen "zu nerven". Ohne eine klare Antwort darauf könne die Debatte nicht fortgesetzt werden.
Andere Abgeordnete der Opposition schlossen sich Jacobs Äußerungen an und forderten Ministerpräsident Jean Castex zu Gesprächen auf. "Ein Präsident sollte so etwas nicht sagen", twitterte auch die Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, Marine Le Pen. Der Linkenpolitiker Jean-Luc Mélenchon bezeichnete die Aussage als "schockierend". Grünen-Kandidat Yannick Jadot schrieb in einem Impfaufruf, die Menschen seien Macron egal. Sozialistenchef Olivier Faure sprach von einer Aussage, die nicht auf der Höhe eines Präsidenten sei.
Frankreich hatte 2021 einen Gesundheitspass eingeführt, der Menschen ohne PCR-Test oder Corona-Impfnachweis den Zutritt zu Restaurants, Cafés und anderen Einrichtungen verwehrt. Die Regierung will diesen Pass in einen Impfpass umwandeln, sodass ihn nur Geimpfte erhalten können. Damit soll der Druck auf Ungeimpfte steigen.
"Ich werde sie nicht ins Gefängnis schicken, ich werde sie nicht mit Gewalt impfen. Wir müssen ihnen also sagen, dass sie ab dem 15. Januar nicht mehr ins Restaurant gehen können, dass sie keinen Kaffee trinken können, dass sie nicht ins Theater oder ins Kino gehen können", sagte Macron in dem Interview. Der Präsident war schon in der Vergangenheit für Äußerungen kritisiert worden, die in Teilen der Bevölkerung als arrogant oder herablassend empfunden wurden. Später hat er bei mehreren Gelegenheiten Bedauern gezeigt.
In dem Interview sagte Macron auch, er könne sich gut vorstellen, im April zur Wiederwahl anzutreten. "Ich würde es gerne tun", sagte er. Macron, der in den Umfragen als Favorit gilt, hat seine Kandidatur noch nicht offiziell erklärt. Seine Mitarbeiter bereiten aber bereits eine Wahlkampagne vor.
"Der Wahlkampf hat begonnen", sagte der Corona-Experte Eric Caumes. Es sei "wahrscheinlich eine kontrollierte Entgleisung" des Staatschefs gewesen. Der Virologe unterstrich aber auch die "Verzweiflung" des Pflegepersonals im Umgang mit ungeimpften Corona-Patienten.
Die Infektionszahlen sind in Frankreich in den vergangenen Wochen immer weiter angestiegen. Erst am Dienstag wurde mit mehr als 270.000 gemeldeten Neuinfektionen an einem Tag ein Rekordwert verzeichnet. Landesweit lag die Inzidenz, also die Zahl der Ansteckungen innerhalb einer Woche pro 100.000 Menschen, zuletzt bei mehr als 1800. Gut 3600 Covid-19-Patienten liegen auf Intensivstationen, etwa zehn Prozent mehr als in der Vorwoche. Etwa 80 Prozent von ihnen sind nicht geimpft.
Quelle: ntv.de, mbe/rts/dpa/AFP