Prozessauftakt unter Schmährufen Erdogan-Mordkommando steht vor Gericht
20.02.2017, 17:40 Uhr
Die Angeklagten werden unter massivem Polizeischutz in das Gerichtsgebäude gebracht.
(Foto: AP)
In der Putschnacht vom 15. Juli 2016 stürmen Soldaten das Hotel, in dem Erdogan Urlaub macht - doch der türkische Präsident ist bereits geflüchtet. Erdogan glaubt, dass er in dieser Nacht sterben sollte. Nun beginnt der Prozess gegen das angebliche Mordkommando.
Sieben Monate nach dem Putschversuch in der Türkei hat der Prozess gegen 47 Angeklagte wegen versuchter Ermordung von Präsident Recep Tayyip Erdogan begonnen. Neben dem Mordkomplott wird den Beschuldigten unter anderem ein Verstoß gegen die Verfassung vorgeworfen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. 44 Angeklagte seien in Untersuchungshaft, drei weiteren werde in Abwesenheit der Prozess gemacht.
Als die Beschuldigten ins Gerichtsgebäude gebracht wurden, riefen Umstehende: "Wir wollen die Todesstrafe!" Unter Pfiffen und Schmährufen wurden sie von Sicherheitskräften in das Konferenzzentrum geführt, in dem der Prozess wegen der großen Zahl der Angeklagten geführt wird. "Gott ist groß", riefen die fahnenschwenkenden Zuschauer. Andere hielten Schilder mit der Aufschrift "Hinrichtung" und "Das Spiel ist vorbei, Fetö" hoch. Fetö ist die Bezeichnung der Regierung für die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht.
Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, bei den Angeklagten handele es sich um 37 Soldaten und zehn zivile Hintermänner. Darunter sei auch der in den USA lebende Gülen. Putschende Soldaten hatten in der Nacht des Umsturzversuches vom 15. Juli das Hotel in Marmaris an der Ägäis angegriffen, in dem Erdogan und seine Familie zu diesem Zeitpunkt Urlaub machten. Erdogan und seine Angehörigen hielten sich aber nicht mehr im Hotel auf. Nach eigener Darstellung war der Präsident nur knapp dem Tod entkommen. Zwei Polizisten wurden bei den Kämpfen im Hotel getötet.
Erdogan fürchtete um sein Leben
DHA meldete weiter, für jeden einzelnen der Beschuldigten fordere die Staatsanwaltschaft sechs mal lebenslange Haft. Hauptkläger ist Erdogan persönlich. "Wäre unser Präsident neutralisiert worden wie geplant, hätte der Putsch einen anderen Verlauf genommen. Wir hätten es heute mit einer anderen Türkei zu tun", sagte Erdogans Anwalt Hüseyin Aydin. Der mutmaßliche Anführer des Mordkommandos aus der Putschnacht sagte laut Anadolu, er sei kein Anhänger Gülens. Die Soldaten hätten Erdogan nicht töten, sondern entführen wollen.
Die Opposition beklagt, dass ein Untersuchungsausschuss im Parlament zum Putschversuch beendet wurde, ohne die wichtigsten Zeugen zu befragen. In den vergangenen Wochen eröffnete die Justiz mehrere Verfahren gegen mutmaßliche Putschisten, doch warten die meisten Verdächtigen auch sieben Monate nach dem Umsturzversuch noch auf ihren Prozess. Seit dem Putschversuch wurden in der Türkei 43.000 Menschen inhaftiert und mehr als 120.000 aus dem Staatsdienst entlassen.
Quelle: ntv.de, jug/dpa/AFP