Politik

Koalitionskrach eskaliert FDP kennt kein Schweigegelübde

Die FDP ignoriert Merkels Machtwort - immer mehr liberale Spitzenpolitiker und Landesverbände gehen in der Debatte über die Griechen-Krise auf Distanz zur Kanzlerin. Die Opposition fordert die Entlassung von Parteichef Rösler. Derweil will die FDP-Spitze den Bedenken in den eigenen Reihen wegen des Euro-Rettungskurses mit Regionalkonferenzen begegnen.

Die Kanzlerin könne sich nicht auf ihren Minister verlassen, moniert die Opposition und fordert Röslers Rauswurf.

Die Kanzlerin könne sich nicht auf ihren Minister verlassen, moniert die Opposition und fordert Röslers Rauswurf.

(Foto: dpa)

Im Koalitionsstreit über den Umgang mit der Krise Griechenlands macht die FDP offen Front gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Nach den wiederholten Spekulationen von Parteichef Philipp Rösler über eine griechische Insolvenz läuft bei den Liberalen nun alles auf einen hinaus. Die FDP-Spitze sieht sich gezwungen, mit einem eigenen Antrag den von "Euro-Rebellen" angestrebten Entscheid zu entschärfen.

Nach den Aussagen Röslers über eine mögliche Griechenland-Insolvenz äußerte sich auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) skeptisch über den geplanten dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus ESM. Die FDP-Spitze rechnet nach Angaben aus der Umgebung Röslers inzwischen damit, dass das Lager um die "Euro-Rebellen" die satzungsgemäß erforderliche Mehrheit für einen Mitgliederentscheid zum Thema Griechenland zusammenbekommt.

Neben einem eigenen Antrag zum Mitgliederentscheid soll es im Oktober bundesweit fünf bis acht FDP-Regionalkonferenzen geben, um die Basis vom Kurs der Parteispitze mit Grundausrichtung "Pro Europa" und Euro-Stabilisierung zu überzeugen. Die Kritiker um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler, der bald fünf Landesverbände hinter sich haben soll, wollen ein Nein der FDP zum ESM erzwingen.

Nur Selbstverständlichkeiten ausgesprochen?

Lindner: Die Menschen wollen Klarheit.

Lindner: Die Menschen wollen Klarheit.

(Foto: dpa)

Auch FDP-Spitzenleute zeigten sich erneut von der Mahnung der Bundeskanzlerin unbeeindruckt, nicht über eine mögliche Insolvenz Griechenlands zu spekulieren. Generalsekretär Christian Lindner sagte der "Financial Times Deutschland", die Menschen in Deutschland, die Finanzmärkte und die Griechen bräuchten langfristig Klarheit. "Das geht nicht dadurch, dass man ein Schweigegelübde ablegt." Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die FDP-Spitze aufgefordert, nicht mehr öffentlich an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands zu zweifeln.

FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler hatte zuvor eine geordnete Insolvenz Griechenlands ins Gespräch gebracht und dafür neue Instrumente vorgeschlagen. Lindner sagte, die FDP wolle nicht die Insolvenz Griechenlands herbeireden. Aber: "Ein Kurieren an den Symptomen bringt keine Ruhe in die Märkte." Rösler habe nur Selbstverständlichkeiten ausgesprochen.

Fraktionschef Rainer Brüderle versuchte die Wogen zu glätten: "Wir wollen Deutschland in einer schwierigen Phase nicht im Stich lassen." Schließlich habe man den Wählerauftrag für vier Jahre erhalten, sagte er in der ARD. Jetzt müsse "solide Arbeit" geleistet werden. Gewählt werde erst wieder in zwei Jahren. Bis dahin gebe es noch alle Chancen, "viel Zustimmung in der Bevölkerung zu kriegen".

SPD: "Rösler hat sich das genau überlegt"

Trittin: Rösler sabotiert die Möglichkeit einer Lösung.

Trittin: Rösler sabotiert die Möglichkeit einer Lösung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin will das nicht gelten lassen und forderte bei n-tv den Rücktritt des Wirtschaftsministers. Die Kanzlerin habe schließlich die Richtlinienkompetenz. Zurzeit werde darüber diskutiert, ob durch einen Anleihetausch die Schulden Griechenlands gemindert werden könnten. "Das ist nichts anderes, als dass die Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen gegen Griechenland reduzieren. Wenn jetzt über eine Insolvenz öffentlich geplappert wird, wie Herr Rösler das macht, dann mindert das die Bereitschaft zu diesem Umtausch." Er sabotiert damit die Möglichkeit, die Krise in Griechenland zu lösen und am Ende werde das zu Lasten aller anderen Europäer gehen, sagte Trittin. "Das heißt, er verlängert und verteuert uns die Krise. Das ist verantwortungslos. Das kann die Kanzlerin nicht zulassen."

Ähnlich argumentierte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. Bei n-tv sagte Schneider: "Herr Rösler kann ja denken, was er will – jeder kann in Deutschland denken, was er will. Allerdings, wenn man Vizekanzler ist und Bundeswirtschaftsminister der größten Volkswirtschaft Europas, an der letztendlich die ganze Euro-Rettung hängt, dann hat man eine andere Funktion." Und in dieser Funktion müsse man sich sehr überlegen, was man sagt. "Ich vermute, Herr Rösler hat sich genau überlegt, was er sagt. Er hat die Aktienkurse ins Minus gedrückt, er hat Deutschland in Europa weiter isoliert und das nur mit einer einzigen Begründung, nämlich, das Überleben der FDP zu sichern." Das sei verantwortungslos und vollkommen unprofessionell. "Wenn er ein Angestellter in einer Firma wäre, müsste er entlassen werden."

Die Kanzlerin wiederum erhält Rückendeckung von ihrer Fraktion. Der parlamentarische Geschäftsführer, Peter Altmaier, ist strikt dagegen, dass über eine Insolvenz öffentlich diskutiert wird. Griechenland soll in der Eurozone bleiben. Wenn ein Minister und Regierungsmitglied etwas anderes sage, dann führte das zu Fragezeichen auch bei unseren Nachbarn und Partnern. Und es komme zu unkontrollierbaren Reaktionen auf den Finanzmärkten.

Staatskrise könnte Bankenkrise werden

Bosbach: Athen wird unter Zins und Tilgung leiden.

Bosbach: Athen wird unter Zins und Tilgung leiden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der CDU-Abgeordnete und Rettungsschirm-Kritiker Wolfgang Bosbach sagte hingegen bei n-tv: "Man kann Griechenland auf Dauer nicht immer neue Kredite gewähren. Das Land hat nicht zu wenig Schulden, sondern zu viele." Immer neue Kredite würden die Schuldenlast des Landes erhöhen. Künftig müsse Athen immer Geld aufbringen für Zins und Tilgung. Bosbach wies darauf hin, dass die gegenwärtige Krise "keine Euro-Krise" sei. "Wir haben eine Staatsschuldenkrise, die sich wegen der Überschuldung Griechenlands langsam aber sicher in Richtung einer Bankenkrise entwickeln könnte." Man müsse aufpassen, dass "eines Tages nicht die Staatsschulden das eigentliche Problem sind, sondern die Verbindlichkeiten gegenüber den Banken".

Zudem hält Bosbach den gegenwärtigen Streit in der Koalition für übertrieben. In dem Gespräch mit n-tv zeigte er sich überzeugt, dass die Koalition bis zum Ende der Wahlperiode halten werde.

Der Botschafter der USA in Deutschland, Philip Murphy, riet den Deutschen, für die Rettung der Eurozone einzutreten. "Der Euro ist eine wunderbare Sache – und gerade Deutschland hat davon sehr profitiert", sagte Murphy dem "Münchner Merkur". Zuvor hatte bereits US-Präsident Barack Obama die Euro-Länder zum entschlossenen Handeln gegen die Schuldenkrise aufgefordert.

Die so genannte Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank will Ende des Monats empfehlen, ob Athen weitere Finanzhilfen verdient oder nicht.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP

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