Politik

Schneckenrennen gegen die Zeit Für die Auslandsdeutschen ist die Wahl ziemlich kompliziert

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Die Stimmabgabe per Brief in Deutschland oder in Rathäusern und Einwohnermeldeämtern ist deutlich einfacher als die Teilnahme an der Wahl aus dem Ausland.

Die Stimmabgabe per Brief in Deutschland oder in Rathäusern und Einwohnermeldeämtern ist deutlich einfacher als die Teilnahme an der Wahl aus dem Ausland.

(Foto: IMAGO/Rolf Poss)

Für Deutsche, die im Ausland leben und an den Bundestagswahlen teilnehmen möchten, ist es ein Rennen gegen die Zeit. Selbst dann, wenn man gleich um die Ecke in Italien lebt. Denn auch im digitalen Zeitalter geht alles nur per Post.

Am Mittwochmorgen kommt die freudige Nachricht: "Wahldokumente gestern Abend angekommen", schreibt Velko Winters, ein Deutscher, der in Italien lebt. "Gleich gewählt, Briefumschlag wieder geschlossen und jetzt schon auf dem Weg zur Post. Wollen wir hoffen, dass meine Stimme noch rechtzeitig ankommt."

Wie Velko Winters ist es vielen anderen Deutschen in Italien ergangen. Sie alle haben bis vor ein paar Tagen noch gebangt, den Umschlag mit dem Wahlzettel zu spät zu bekommen. Gerade diesmal, wo es besonders wichtig sei zu wählen, wie es mehrere deutsche Freunde empfinden. Marlene Doerrie formuliert es so: "Auch wenn es wieder einmal vor allem eine Stimme gegen etwas ist, diesmal gegen die AfD und das BSW. Trotzdem ist es für mich wichtig zu wählen."

Dass wegen der geplatzten Ampelkoalition der Wahlkampf sehr kurz sein würde, dafür kann die Bürokratie natürlich nichts. Für die Prozedur aber schon. Denn die Wahlbeteiligung ist aus dem Ausland nur über den Postweg möglich. Was Italien betrifft, so gibt es nicht einmal die Möglichkeit, den amtlichen Kurierweg zu nutzen. In einigen anderen europäischen Staaten und vor allem auf anderen Kontinenten ist das anders.

Wie bei einer Bewerbung

Velko Winters ist Deutscher, lebt aber schon ein Leben lang in Mailand. Hier hat er die Deutsche Schule besucht, später in Deutschland studiert und dann für ein deutsches Unternehmen gearbeitet.

"Ich muss zugeben, es ist das erste Mal, dass ich an einer Bundestagswahl teilnehme", sagt er. "Es war mein Sohn, der fünf Jahre in Deutschland gelebt hat und politisch auch aktiv war, der mich dazu aufforderte. 'Mensch Papa, du setzt dich für alles und alle ein. Du bist noch immer im Schulrat der Deutschen Schule Mailand. Es kann nicht sein, dass du nicht wählst.' Und er hatte recht." Außerdem sei er seit Dezember in Rente. "Ich hatte also auch Zeit, mich mit dem bürokratischen Teil zu befassen."

Dieser bürokratische Teil ist nicht ohne. Neben den sogenannten anagrafischen Daten - Name, Anschrift und so weiter - musste Velko Winters dem Registrierungsantrag auch ein Motivationsschreiben beilegen, als handele es sich um eine Bewerbung. "In diesem habe ich erklärt, dass mich die Arbeit und dann auch meine Kinder immer wieder nach Deutschland geführt haben und weiterhin führen. Außerdem fühle ich mich dem Land kulturell sehr verbunden. Ich lese deutsche Zeitungen und Bücher, höre deutsche Podcasts und beschäftige mich generell mit deutschen Ereignissen."

Zur Not bringt man den Brief selbst über die Alpen

Nachdem er die Formulare ausgefüllt hatte, schickte er sie an die deutsche Gemeinde, in der er zuletzt wohnhaft gewesen war. "Ich habe nämlich 1997 ein Jahr in Deutschland gelebt." Das war kurz vor Weihnachten. Knapp zwei Monate habe es gedauert, bis er den Wahlzettel in der Hand hatte, erzählt Velko.

Einige Deutsche in Mailand planten sogar, nach Deutschland zu fahren, um die Unterlagen dort in den Briefkasten zu stecken - zumindest für den Fall, dass der Stimmzettel zu spät ankommt. Gabrielle Träger etwa zog diese Alternative in Erwägung. "Diesmal ist mir die Teilnahme nämlich besonders wichtig."

Auch sie hat ihrem Registrierungsantrag ein Motivationsschreiben beigefügt. Sie bekam aber per Mail eine Mitteilung, ob sie nicht ein paar weitere Details hinzufügen könnte, um ihre Beteiligung an der Wahl etwas präziser zu begründen. "Das hat mich nicht gestört", sagt Gabrielle Träger. "Ich finde das mit dem Motivationsschreiben für Deutsche, die schon seit Langem anderswo leben, in Ordnung."

"Ich wundere mich über diese umständliche Prozedur"

Thea Renner lebt seit zweieinhalb Jahren mit Mann und Kindern in Rom. Ihr Mann ist Italiener, sie Deutsche. Auch sie hat den Antrag, im Münchner Wählerverzeichnis registriert zu werden, noch vor Weihnachten abgeschickt. Als sie Anfang Februar noch immer keine Rückmeldung und auch keinen Wahlschein erhalten hatte, rief sie in München an. "Und so erfuhr ich, dass mir die Unterlagen ein paar Tagen davor geschickt worden waren. Ich wundere mich allerdings sehr über diese umständliche Prozedur."

Ein wenig irritiert klingt auch Marlene Doerrie. "Jedes Mal muss ich mich aufs Neue ins Wahlregister einschreiben. Und ich war diesmal wirklich zeitig dran. Das hat aber wahrscheinlich wenig geholfen, denn erst als die Kandidaten aller Parteien feststanden, konnten die Wahlzettel gedruckt und verschickt werden. Außerdem braucht die Post von Frankfurt nach Mailand eine gefühlte Ewigkeit."

Mittlerweile haben alle deutschen Freunde den Wahlzettel bekommen und abgeschickt. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass die Briefe rechtzeitig ankommen. Und hoffen, dass das digitale Zeitalter früher oder später auch bei den Wahlen Eintritt findet.

Quelle: ntv.de

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