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Vorwurf an Israel Hamas setzt Geiselfreilassungen "bis auf Weiteres" aus

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Hamas-Kämpfer beziehen Stellung vor der Freilassung einer Geisel Anfang Februar.

Hamas-Kämpfer beziehen Stellung vor der Freilassung einer Geisel Anfang Februar.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Hamas will die nächste Freilassung israelischer Geiseln auf unbestimmte Zeit verschieben. Israel halte sich nicht an die Vereinbarung zur Waffenruhe, teilt Hamas-Sprecher Abu Obeida zur Begründung mit. Israel bezeichnet die Ankündigung als "kompletten Verstoß" gegen das Waffenruhe-Abkommen.

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas setzt die vereinbarte Freilassung weiterer israelischer Geiseln nach eigenen Angaben "bis auf Weiteres" aus. Die für den kommenden Samstag geplante Freilassung werde verschoben, bis Israel "seine Verpflichtungen erfüllt", erklärte der Sprecher des bewaffneten Hamas-Arms Essedin al-Kassam-Brigaden, Abu Obeida. Die israelische Regierung pocht auf eine Einhaltung der mit der Hamas vereinbarten Waffenruhe. Jede Verletzung des Abkommens werde als schwerwiegend erachtet, teilt das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit.

Am Samstag wollten die Extremisten eigentlich drei weitere Geiseln freilassen. Dies werde erst möglich, wenn sich Israel wieder an die Vereinbarungen halte, hieß es nun. Die Hamas stehe aber grundsätzlich zu den Vereinbarungen über die seit dem 19. Januar für zunächst sechs Wochen geltende Waffenruhe und den Austausch von Geiseln gegen inhaftierte Palästinenser, bekräftigte Obeida.

Israel hingegen habe die Rückkehr von Vertriebenen in den nördlichen Gazastreifen verzögert, das Feuer an verschiedenen Stellen des Küstenstreifens eröffnet und die Einfuhr von Hilfsgütern behindert, begründete Obeida die Verschiebung der Freilassung. Die Hamas hingegen habe sich an alle Abmachungen gehalten.

Israel hat wiederholt Vorwürfe zurückgewiesen, sie verletzte die Vereinbarungen. Der israelische Regierungssprecher David Mencer wies insbesondere Vorwürfe zurück, Israel blockiere Hilfslieferungen. Israels Verteidigungsminister Israel Katz bezeichnete die Ankündigung der Hamas als "kompletten Verstoß" gegen das Waffenruheabkommen und die Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln. "Ich habe die IDF angewiesen, sich mit höchster Alarmbereitschaft auf jedes mögliche Szenario in Gaza vorzubereiten und die Ortschaften (am Rande des Gazastreifens) zu schützen", sagte er.

Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar hat die Hamas bisher bei fünf Freilassungsaktionen 16 von insgesamt 33 israelischen Geiseln freigelassen, die während der ersten Phase der dreistufigen Vereinbarung von der Hamas übergeben werden sollen. Außerdem ließ die Terrororganisation fünf Thailänder frei, dies aber nicht als Teil der Vereinbarung mit Israel. Im Gegenzug entließ Israel 583 inhaftierte Palästinenser von vorgesehenen 1.904 Häftlingen. Insgesamt 76 Geiseln werden jetzt noch im Gazastreifen festgehalten, wobei 35 von ihnen israelischen Angaben zufolge tot sind.

Erschreckender Zustand der Geiseln

Die militärisch nach 16 Monaten Krieg extrem angeschlagene Islamistenorganisation nutzte die Freilassungen in den vergangenen Wochen stets als Machtdemonstration. Hunderte Schaulustige verfolgten das inszenierte Prozedere vor Ort, wie in Live-Übertragungen zu sehen war. Israels Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem "zynischen und grausamen Spektakel".

Nach der Freilassung dreier weiterer israelischer Geiseln der islamistischen Hamas am Samstag im Gazastreifen sind erschreckende Details über die Umstände ihrer Geiselhaft bekannt geworden. Der Bruder von Or Levy berichtete, der 34-Jährige sei "16 Monate lang hungrig, barfuß und in ständiger Angst" gewesen. Levy war am Samstag gemeinsam mit zwei anderen Männern im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas freigekommen. Die Bilder von den abgemagerten, schwachen Geiseln sorgten in Israel für Entsetzen.

Israelische Medien berichteten, einer der Männer sei angekettet gewesen und habe fast die gesamte Zeit in einem dunklen Tunnel verbracht. Er habe dabei weder gerade stehen noch gehen können.

Zwischenfall im Gazastreifen

Im Gazastreifen haben israelische Soldaten am Sonntag nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Zivilschutzbehörde drei Zivilisten getötet. Mehrere Menschen seien zudem verletzt worden, "als die israelischen Besatzungskräfte in östlichen Gebieten der Stadt Gaza das Feuer auf Zivilisten eröffneten", erklärte der Sprecher der palästinensischen Zivilschutzbehörde, Mahmud Bassal. Die israelische Armee erklärte, sie habe "Warnschüsse" auf Verdächtige abgegeben, die sich ihren Soldaten genähert hätten.

"Die Truppen sind mit Militärfahrzeugen vorgerückt", teilte die Armee weiter mit. "Es wurden mehrere Treffer festgestellt, nachdem die Schüsse abgegeben wurden." Die verdächtigen Palästinenser, die sich den israelischen Posten laut Armee genähert hatten, hätten sich daraufhin wieder zurückgezogen.

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz warnte die Palästinenser im Gazastreifen davor, sich den israelischen Soldaten dort zu nähern. "Israels Sicherheitspolitik in Bezug auf Gaza ist eindeutig: Jeder, der in die Pufferzone eindringt, wird den Preis dafür bezahlen", erklärte er. Israelische Soldaten überwachen eine Pufferzone entlang der Grenze zu Israel.

Israel werde auf "jede Art von Bedrohung" gegen Soldaten, das Grenzgebiet oder israelische Gemeinschaften mit "null Toleranz" reagieren, fügte Katz hinzu. Bassal rief die palästinensische Bevölkerung dazu auf, sich an die offiziellen Anordnungen zu halten und den Osten der Stadt Gaza und israelische Armeestellungen zu meiden.

Im Rahmen der seit dem 19. Januar geltenden Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen zogen sich die israelischen Streitkräfte am Sonntag aus dem Netzarim-Korridor zurück. Die rund sieben Kilometer lange Straße durchschneidet den Gazastreifen von der israelischen Grenze bis zum Mittelmeer.

Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa

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