Anonymes Buch führt zu Google-ID Israels Geheimdienstchef enttarnt sich selbst
06.04.2024, 00:39 Uhr Artikel anhören
Machte technologischer Hochmut die Geheimdienste blind? Beim Angriff auf ein Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen wurden Hunderte Israelis getötet.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die israelische Einheit 8200 überwacht die Palästinensergebiete, doch die Vorbereitungen der Hamas für das Massaker vom 7. Oktober entgehen den Agenten. Nun erlebt der Kommandeur ein neues Debakel: Als Autor eines Buches über KI im Krieg verrät er seine wahre Identität.
Der Kommandeur der israelischen Einheit 8200 leitet eine der mächtigsten Überwachungsbehörden der Welt, vergleichbar mit der amerikanischen National Security Agency. Nun enthüllt der britische "Guardian" dessen streng gehütete Identität. Der umstrittene Spionagechef heißt Yossi Sariel. Laut dem Bericht ist er selbst es gewesen, der seine Identität im Internet preisgab.
Die peinliche Sicherheitslücke steht im Zusammenhang mit einem Buch, das Sariel bei Amazon veröffentlicht hat. Dieses hinterließ eine digitale Spur zu einem in seinem Namen eingerichteten privaten Google-Konto, zusammen mit seiner individuellen ID und Links zu den Karten- und Kalenderprofilen des Kontos, schreibt der "Guardian". Der anonyme Autor von "The Human Machine Team" entwickelt darin eine radikale Vision davon, wie künstliche Intelligenz die Beziehung zwischen Militär und Maschinen verändern kann. Das Buch bietet damit eine Blaupause für die KI-gestützten Systeme, die die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) während des sechsmonatigen Krieges im Gazastreifen entwickelt haben.
Eine elektronische Version des Buches enthielt eine anonyme E-Mail-Adresse, die der "Guardian" zu Sariels Namen und Google-Konto zurückverfolgte. In ihrer Reaktion auf den Bericht bezeichnete die israelische Armee die Veröffentlichung von Sariels persönlichen Daten in dem Buch als "Fehler". Die Angelegenheit werde geprüft, um zu verhindern, dass sich ähnliche Fälle in Zukunft wiederholen.
"Ich wurde besiegt"
Der Sicherheitsfehler dürfte den Spionagechef noch stärker unter Druck setzen. Die Einheit 8200, die einst in Israel und darüber hinaus für ihre nachrichtendienstlichen Fähigkeiten geschätzt wurde, soll einen riesigen Überwachungsapparat aufgebaut haben, um die palästinensischen Gebiete genau zu überwachen.
Den tödlichen Angriff der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober hatten die Geheimdienste allerdings weder vorhergesehen noch verhindert. Bei diesem Angriff töteten palästinensische Terroristen fast 1200 Israelis und entführten 240 Menschen in den Gazastreifen. Die Einheit 8200 muss sich seit dem Überfall der Hamas den Vorwurf gefallen lassen, sie habe ihren "technologischen Hochmut" auf Kosten konventionellerer Methoden der Informationsbeschaffung ausgeübt.
Die israelische Zeitung "Maariv" enthüllte im Februar eine interne Kontroverse innerhalb der Einheit 8200. Kritiker warfen dem damals noch nicht namentlich genannten Chef vor, dass die Bevorzugung "süchtig machender und aufregender" Technologien gegenüber altmodischeren Geheimdienstmethoden zu der Katastrophe geführt habe. Sariel soll gegenüber Kollegen erklärt haben, der 7. Oktober werde ihn bis zu seinem letzten Tag "verfolgen". "Ich übernehme im tiefsten Sinne des Wortes die Verantwortung für das, was passiert ist", sagte er. "Wir wurden besiegt. Ich wurde besiegt."
Quelle: ntv.de, mau