Haushalt 2025 liegt im Bundestag Klingbeils 850-Milliarden-Wette bringt Opposition auf die Palme


Klingbeil wirbt für seine Rekordinvestitionen.
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Neun Wochen nach der Regierungsbildung bringt Bundesfinanzminister Klingbeil den Haushalt für das laufende Jahr ins Parlament ein. Der SPD-Vizekanzler ist stolz auf seine Investitionsoffensive. Die Opposition zeigt sich entsetzt - und zieht den Zorn der Bundestagspräsidentin auf sich.
Der Bundestag kommt zu seiner letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause zusammen und Lars Klingbeil hat etwas mitgebracht: 3431 Seiten lang ist der "Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2025". Das Haushaltsjahr läuft zwar schon mehr als sechs Monate, aber die Vorgängerregierung hatte sich über eben diesen Haushalt vollends zerlegt. Am Ende zahlreicher Volten und einer vorgezogenen Bundestagswahl ist der SPD-Chef eben nun auch das: Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler einer schwarz-roten Bundesregierung mit einem Verschuldungsplan, von dem die an die Schuldenbremse gefesselte Ampel nicht einmal zu träumen wagte. 82 Milliarden Euro nimmt Deutschland im laufenden Jahr an Schulden auf. 846,9 Milliarden Euro sollen es bis Ende der Legislaturperiode sein.
Doch Klingbeil ist nach seinem erklärten Selbstverständnis nicht oberster Schuldenmacher im Land, sondern Investitionsminister. In seiner Einbringungsrede im Bundestag kündigt er "Investitionen für Wachstum, für die Modernisierung Deutschlands, für die innere und äußere Sicherheit" an. Der Haushalt bringe "Rekordinvestitionen von 115 Milliarden Euro". Künftig sollen es jedes Jahr 120 Milliarden Euro Investitionsvolumen sein. "Wir investieren so stark wie noch nie zuvor in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes", sagt Klingbeil. Und es ist für alle etwas dabei: Bildung und Kinderbetreuung, Schienen und Straßen, sozialer Wohnungsbau, Energiekosten, Klimawende und die Bundeswehr. Überall soll es spürbar bergauf gehen. "Mein Anspruch als Finanzminister ist, dass das Wachstum auch bei allen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land ankommt", so Klingbeil.
"Der Stillstand der Ampel-Regierung hat ein Ende", sagt dazu der CDU-Haushaltspolitiker Matthias Middelberg. "Wir haben wieder eine Regierung, die zupackt, die handelt." Dass dieses Zupacken und Handeln durch eine weitgehende Aussetzung der Schuldenbremse ermöglicht wurde, die Union und FDP der Ampel-Regierung noch verweigert hatten, ist den Rednern von CDU, CSU und SPD an diesem Tag keine Erwähnung wert. Das dürften auch Ampel-Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ex-SPD-Vorsitzende Saskia Esken registrieren. Beide verfolgen den Auftakt der Haushaltswoche von der sprichwörtlichen Hinterbank aus: mit drei leeren Sitzreihen Abstand zum Rest der SPD-Fraktion.
AfD lehnt Rekordverschuldung ab
Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen haben in der Debatte nichts als Lob für den Haushalt übrig - in den Reihen der Opposition ist das Gegenteil der Fall: Einen "finanzpolitischen Amoklauf" konstatiert AfD-Politiker Michael Espendiller. Schwarz-Rot werde Deutschlands Schuldenstand binnen einer Legislaturperiode um 50 Prozent erhöhen. Die Redner der AfD versprechen Widerstand. Einsparpotenziale im Haushalt machen sie vor allem bei der Migration aus. Zum Anschieben des Wirtschaftswachstums und der Entlastung der Verbraucher fordern sie die Abschaffung der CO2-Steuer.
Der AfD-Abgeordnete Rainer Groß warnt, dass auf die Bundesrepublik bis 2029 eine Zinslast von 60 Milliarden Euro zukomme - jährlich und bei volatilen Zinssätzen. Als zweitgrößter Fraktion im Bundestag kommt der AfD nach der Union in jeder Debatte die zweitmeiste Redezeit zu. Sie hielt schon die Schaffung des 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens sowie die weitgehende Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse durch den alten Bundestag für "staatsstreichartig".
Audretsch nennt Entlastungen "öbszön"
Die an diesem Beschluss maßgeblich beteiligten Grünen zeigen sich inzwischen aber ebenfalls mehr als unzufrieden. "Ihr Haushaltsentwurf ist ohne Mut, ohne klare Richtung", kritisiert Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer den Finanzminister. Investitionen seien die Schulden nur, wenn sich das daraus ergebende Wachstum größer ausfalle als die anfallenden Zinsen, mahnt Schäfer. "Dann wäre die Rekordverschuldung eine große Chance." Klingbeil aber entlaste "lieber die Besser- und Bestverdienenden". Die ausgeweiteten Abschreibungsregeln im Rahmen von Klingbeils "Wirtschaftsbooster" kämen im Rahmen der sich ergebenden Steuermindereinnahmen zu 69 Prozent den wohlhabendsten 1 Prozent im Land zugute.
Die Zahlen gehen auf Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zurück, und auch Schäfers Fraktionskollege Andreas Audretsch rekurriert auf das DIW-Gutachten: "Über 20 Milliarden Euro im Jahr sind es, die an Menschen gehen, die ein Jahreseinkommen oberhalb von 180.000 Euro brutto haben." Nur 3 Milliarden gingen an die ärmsten 50 Prozent. "Das ist obszön", ruft Audretsch.
Die SPD-Finanzpolitikerin Frauke Heiligenstadt hat auch DIW-Zahlen parat und zitiert: "Die Zeichen der deutschen Konjunktur stehen auf Erholung." CDU-Politiker Georg Günther erinnert zudem daran, dass das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) angesichts der schwarz-roten Investitionsvorhaben seine Konjunkturprognose auf 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum verdoppelt habe.
Klöckner droht Abgeordneten
Sozial unausgewogen findet auch die Linke die Vorhaben der Bundesregierung, nicht zuletzt mit Blick auf die versprochene Absetzung der Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß. Für diese hatten SPD und Union trotz anderslautenden Koalitionsvertrags doch kein Geld im Haushalt gefunden. "Sie haben schlicht gelogen, das ist die Wahrheit", sagt Linken-Politiker Dietmar Bartsch.
Als nach Bartsch auch noch ein AfD-Redner den Lügenvorwurf wiederholt, reicht es Bundestagspräsidentin Julia Klöckner: "Ich weiß nicht, ob das ein kognitives Problem ganz rechts und ganz links hier im Hause ist. Wir haben hier festgehalten, dass wir uns nicht persönlich herabwürdigen und uns als Lügnerin und Lügner bezeichnen." Die wegen ihrer vergleichsweise rigiden Amtshandhabe durchaus umstrittene Klöckner nimmt es persönlich: "Wer jetzt noch einmal meine Sitzungsleitung in Frage stellt, kassiert einen Ordnungsruf."
Es finden sich aber auch nachdenkliche, selbstkritische Töne in der Debatte, etwa von CSU-Politiker Florian Oßner. Er räumt ein: Es zeichne "sich jetzt schon ab, dass wir in den kommenden Jahren massiven Konsolidierungsdruck erhalten werden." Auch Oßner hat die kommenden Zinslasten und sich dadurch verengende Spielräume im Haushalt im Blick, über die Klingbeil in seiner Einbringungsrede nicht spricht.
In Kombination mit einer Fixierung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2029 - mehr als 150 Milliarden Euro im Jahr - und den steigenden Kosten für Gesundheit, Rente und Pflege steigt der Bedarf nach wachsenden Steuereinnahmen. Entweder zieht also die Wirtschaft im Zuge der Investitionen und Strukturreformen der Bundesregierung deutlich an - oder Klingbeil muss vom Investitions- zum Sparminister werden.
Quelle: ntv.de