Verhandlungen mit Opposition stocken Koalition ringt um Fiskalpakt
05.06.2012, 20:30 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bundesregierung will noch vor der Sommerpause den Fiskalpakt ratifizieren. Doch die Opposition erklärt die jüngste Gesprächsrunde für gescheitert. Die Zeit drängt, Schwarz-Gelb scheint sich darum, zu immer mehr Kompromissen hinreißen zu lassen.
Die Gespräche zwischen Regierung und Opposition über die Ratifizierung des Fiskalpakts sind wieder ins Stocken geraten. "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung ernsthaft verhandeln will", sagte der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Roth, nach der Sitzung gemeinsamer Arbeitsgruppen. "In den Überschriften sind wir im Grundsatz einig, in der Substanz ist alles offen." Die Verhandlungen sind damit vorerst gescheitert. Roth kündigte aber an, die Gespräche am Donnerstag fortzusetzen.

Mit schnellen Transaktionen sorgen vor allem Banken für manch ein Auf und Ab an den Aktienmärkten. Eine Finanztransaktionssteuer soll Spekulationen eindämmen.
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Die Arbeitsgruppen sollen Kompromisse vor der Spitzenrunde zwischen den Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Regierung und Opposition am 13. Juni ausloten. Ziel ist es, eine deutliche Mehrheit für die Ratifizierung des Fiskalpakts zu organisieren, damit der Bundestag ihn rechtzeitig vor der parlamentarischen Sommerpause ratifizieren kann - zusammen mit dem ESM-Vertrag. Schwarz-Gelb benötigt dafür die Zustimmung von Zwei-Dritteln der Abgeordneten, also auch Stimmen der Opposition.
Bereits zuvor hatte die Opposition gedroht, das Vorhaben im Bundestag nicht mitzutragen. Zudem fordern sie weitere Wachstumsimpulse.
Angesichts des Zeitdrucks zeigte sich zuletzt vor allem die FDP zu Kompromissen bereit. In den in Europa kam darum ein klein wenig Bewegung. Die FDP schließt die Steuer nun nicht mehr grundsätzlich aus, wenn sich nicht alle 27 EU-Staaten daran beteiligen. Das sollte "möglichst" der Fall sein, aber sie würde die Finanzmarktsteuer wohl auch in einem etwas kleineren Staatenverbund mittragen, hieß es aus der Partei. Voraussetzung sei aber, "dass diese nicht zulasten deutscher Arbeitsplätze geht, eine Verlagerung von Geschäften ausgeschlossen ist und Kleinsparer sowie Privatanleger nicht zusätzlich belastet werden."
Aus Sicht von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat sich die Bundesregierung damit aber noch nicht entscheidend bewegt. "Das wird aber am Ende der wichtigste Punkt sein, insofern sind wir bei weitem nicht über den Berg", sagte er.
Bundesregierung hält Schuldentilgungspakt für rechtswidrig
Um die Opposition für die Umsetzung des Fiskalpaktes zu gewinnen, hat Schwarz-Gelb auch ein Konzept für mehr Wachstum in Europa erarbeitet. Das Acht-Seiten-Papier enthält Maßnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit, schärfere Auflagen für die Finanzbranche und mehr öffentliche Investitionen auch über die Europäische Investitionsbank (EIB).
Mit den Plänen reagiert die Bundesregierung auch auf den wachsenden internationalen Druck für mehr Wachstumsimpulse. Die Vorschläge sollen beim EU-Gipfel Ende Juni diskutiert werden. Das Konzept wurde federführend vom Wirtschaftsministerium erstellt und ist laut Regierungskreisen bereits mit Bundeskanzleramt, Auswärtigem Amt und Finanzministerium abgestimmt.
Merkel, FDP-Chef Philipp Rösler und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hatten die Marschroute abgesteckt. Die Chancen für eine EU-weite Regelung oder die Einführung einer Finanz- oder Börsensteuer nur in den 17 Euro-Ländern sind gering. Die Bundesregierung strebt daher eine Lösung über die verstärkte Zusammenarbeit von Ländern oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung von EU-Staaten an.
Merkel ist bereit, zusammen mit einer Gruppe von Euro-Ländern voranzuschreiten. Rösler hatte bereits zuvor bekräftigt, die Liberalen seien offen für das britische Modell der Stempelsteuer unter Einbeziehung des Handels mit Derivaten. Auch über eine Begrenzung des Hochfrequenzhandels mit Wertpapieren lasse man mit sich reden. Dies sei seit langem die Linie der FDP, von einem Nachgeben könne daher keine Rede sein, hieß es in Parteikreisen.
Der von den Wirtschaftsweisen vorgeschlagene "Schuldentilgungspakt" in der Eurozone ist aus Sicht der Bundesregierung aus EU-rechtlichen Gründen nicht machbar. Es bestünden "erhebliche europarechtliche Bedenken gegen das vorgeschlagene Modell mit gemeinschaftlicher Haftung", heißt es in Stellungnahme der Regierung für die Beratungen von Koalition und Opposition über die Umsetzung des Fiskalpaktes. SPD und Grüne hatten gefordert, den Schuldentilgungsfonds auf den Weg zu bringen.
Mit dem von den Wirtschaftsweisen angeregten Fonds soll die Staatsverschuldung unter die maximal erlaubte Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden. Schulden, die die 60-Prozent-Grenze übersteigen, sollen in einen gemeinsamen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung ausgelagert werden. Zugleich würde für jedes Land ein Konsolidierungspfad festgelegt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts